Dorfgeschichte Die Glehner Kirchstraße im Wandel der Zeit

Glehn · Die Heimatfreunde Glehn hoffen, ihr Museum am letzten August-Sonntag wieder öffnen zu können. Dann soll es parallel zu der Ausstellung über Schuster Willi Erkes eine Präsentation zur Geschichte der Straße geben.

 Die Kirchstraße in Glehn in den 1950er Jahren, damals war sie noch eine wichtige Einkaufsstraße. Die Geschichte der Straße im 20. Jahrhundert wird Thema der Präsentation im Museum sein.

Die Kirchstraße in Glehn in den 1950er Jahren, damals war sie noch eine wichtige Einkaufsstraße. Die Geschichte der Straße im 20. Jahrhundert wird Thema der Präsentation im Museum sein.

Foto: Archiv Heimatfreunde Glehn

Wer weiß noch, wie es dazu kam, dass der Anstreicher Zoschke in den 1950er Jahren nicht nur den Fahnenmast von Gastwirt „Lappesen Pitter“ rot-weiß angestrichen hatte, sondern auch die Hörner von dessen Rindern – oder warum das einst schöne weiße Haus von Schneider Knuppertz nach der Explosion der Teerkessel beim Asphaltieren der Kirchstraße rot verklinkert werden musste? Das alles gibt Martha Lipgens in ihren heiter-besinnlichen Erinnerungen an die Glehner Kirchstraße zum Besten. Dieser Straße soll nun eine Präsentation im Museum der Heimatfreunde Glehn gewidmet werden, die Eröffnung ist für den letzten Sonntag im August vorgesehen. Die Heimatfreunde werden zu der Ausstellung „Die Kirchstraße im Wandel der Zeit“ ein Begleitheft erstellen, das nicht nur Fotos enthalten wird, sondern auch den ungekürzten Text von Martha Lipgens Erinnerungen an die Kirchstraße in Glehner Platt und auf Hochdeutsch.

Bereits vor zwölf Jahren hatte die Heimatfreundin einen Vortrag über ihre Erinnerungen an diese Straße in bestem Glehner Platt verfasst. Die Straße spielte früher für die Versorgung der Bevölkerung eine sehr wichtige Rolle.

Glehner Platt beherrschen nicht mehr so sehr viele Bewohner des Ortes. Und so war die Begeisterung groß, als Martha Lipgens vor einigen Monaten bei einer Veranstaltung der „Heimatfreunde Glehn“ die hochdeutsche Übersetzung ihres Vortrags präsentierte, in dem sie in Erinnerung brachte, wie es im vorigen Jahrhundert dort aussah, wer dort lebte und was sich dort abspielte. Vieles von ganz früher hatte auch ihre Mutter Luise Brockers erzählt.

 Die Kirchstraße 2020 ebenfalls aus der Vogelperspektive. Viele alte Gebäude sind abgerissen oder umgebaut.

Die Kirchstraße 2020 ebenfalls aus der Vogelperspektive. Viele alte Gebäude sind abgerissen oder umgebaut.

Foto: Karin Verhoeven-Meurer

„Ich bin ganz am Ende der Kirchstraße aufgewachsen – ungefähr gegenüber dem Haus an der Kirchstraße, das dem ,Trichinenkicker’ gehörte,“ erzählt sie. Der Trichinenbeschauer hieß im Volksmund „Engels Bernhard“ – laut Personalausweis aber Bernhard Eßer, und er hatte im Keller Brutmaschinen. Nur wenn die Nachbarskinder ganz still und brav waren, durften sie schon mal zusehen, wenn gerade ein kleines Küken aus der Schale kam.

Martha Lipgens weiß auch noch: „Bei Eßer im Wohnzimmer hatten wir im Krieg auch schon mal Schulunterricht, weil in der Schule Soldaten einquartiert waren.“

Die bis ins Jahr 1930 betriebene Zweigstelle der Volksschule an der Kirchstraße mit einer Lehrerwohnung unter dem Dach stand direkt am Jüchener Bach und war bis zu ihrem Abriss (1992) nach einem Erdbeben das älteste erhaltene Schulgebäude von Glehn. Später gab es dort im Haus an der Kirchstraße einen Kindergarten, der von dem Orden „Arme Dienstmägde Jesu Christi“ betreut wurde. Später war darin eine Kochschule beheimatet. „Daher stammt bis heute noch der Namen ,de al‘ Kochscholl’. Und noch später war in diesem Gebäude immer die Mütterberatung – da bin auch ich mit meinen drei Kindern hingegangen,“ erzählt die 81 Jahre alte Heimatfreundin.

Martha Lipgens erinnert sich auch gut an das große Hochwasser im März 1947. Sie erzählt: „Da war ich acht Jahre alt, und wir Kinder sind in den Kirchturm geklettert. Soweit man sehen konnte, war nur Wasser. Der Jüchener Bach war zu einem reißenden Fluss geworden – die ,al‘ Kochscholl’ lag da mitten drin.“

Wirklich jede Existenz und jeder Hausbesitz wird in Martha Lipgens Vortrag benannt – so auch der Maurermeister „Schmitze Hannes“, der die Familie der Heimatfreundin nicht „im Schlamassel“ sitzen ließ, als im Krieg eine Granate ausgerechnet bei Brockers im „Plumpsklosett“ explodiert war.

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