Handels-Experte Heinemann zu Korschenbroicher Unternehmern „Jetzt bloß nicht mit Online-Shops anfangen“

Korschenbroich · Handelsexperte Prof. Gerrit Heinemann sprach bei einer Kick-off-Veranstaltung der Wirtschaftsförderung mit Unternehmern und Lokalpolitikern. Dabei gab er auch Tipps für den stationären Einzelhandel.

 Trafen sich zur virtuellen Kick-Off-Veranstaltung der Wirtschaftsförderung Korschenbroich: Unternehmer und Lokalpolitiker verfolgten interessiert den Vortrag von Gerrit Heinemann von der Hochschule Niederrhein.

Trafen sich zur virtuellen Kick-Off-Veranstaltung der Wirtschaftsförderung Korschenbroich: Unternehmer und Lokalpolitiker verfolgten interessiert den Vortrag von Gerrit Heinemann von der Hochschule Niederrhein.

Foto: Bärbel Broer

Es waren dramatische Szenarien, die Prof. Gerrit Heinemann bei der Online-Kick-off-Veranstaltung der städtischen Wirtschaftsförderung präsentierte. Der Professor für Handel an der Hochschule Niederrhein sprach vor Vertretern des Einzelhandels sowie der Lokalpolitik aus Korschenbroich zum Thema „Überlebensstrategien für den stationären Einzelhandel“.

Gleich zu Beginn von Heinemanns Vortrag wurde den 28 Teilnehmern bewusst, welche Auswirkungen die Corona-Pandemie auf den Einzelhandel haben wird. Um seine Zahlen zu verdeutlichen, unterschied der Wissenschaftler die vor-während-nach-Corona-Zeiten. Seine Prognose: „Menschen werden nicht mehr in Massen in die Innenstädte zurückkehren“, so Heinemann. Es gebe inzwischen zahlreiche kontakttraumatisierte Kunden. Cocooning sei Trend. Will heißen: Immer mehr Menschen ziehen sich ins Privatleben zurück. Sie „spinnen sich ein“, meiden Menschenmengen, Innenstädte. Der stationäre Handel befinde sich dadurch im Sturzflug, so Heinemann. Tatsache sei aber auch: Insbesondere der stationäre Bekleidungshandel habe schon vor Corona einen „Showdown“ erlebt, während der Online-Handel stetig wuchs.

2020 habe der stationäre Einzelhandel ein extremes Bild abgeliefert. Bezogen auf die Gesamtumsätze sei es das beste Jahr seit 1990 für etliche Branchen gewesen, so Heinemann. Allerdings zeichne sich eine starke Polarisierung ab: So gab es im Bereich Lebensmittel und Drogerie eine Steigerung von 9,6 Prozent. Im Non-Food-Bereich waren teilweise sogar noch größere Umsatzsteigerungen zu verzeichnen. Im Bereich Baumärkte und Gartenbedarf 14,2 Prozent, bei Möbeln, Küchen, Deko und Heimtextilien 9,8 Prozent. Ganz abgeschlagen dagegen Bekleidungs- und Schuhläden. Sie verzeichneten einen Rückgang um fast 25 Prozent.

Die Folgen könnten dramatisch sein. Denn rund 52 Prozent der Einzel- und 62 Prozent der Innenstadthändler fürchten die Geschäftsaufgabe, so die Zahlen des Handelsverbands HDE. „Bestenfalls“ wären das 50.000 Händler mit 64.000 Geschäften, im schlimmsten Fall 156.000 Händler mit 200.000 Geschäften. Problem sei, so Heinemann, dass die Politik nur den Gesamtumsatz sehe, nicht aber die Zahlen einzelner Branchen.

Auch würden „Händler still sterben“, sagt Heinemann. „Sie schließen von innen ab.“ Es komme nicht zwangsläufig zu Insolvenzen. Doch der Einzelhandel habe auch während und nach Corona Optionen. Sofern sie einen Online-Handel bereits betreiben, sollten sie dieses Geschäft maximal hochfahren auf allen Kanälen. Wer allerdings keinen Online-Shop habe, solle damit „jetzt bloß nicht anfangen“, rät Heinemann. Stattdessen sollten alle Möglichkeiten des Marktplatzverkaufs über Amazon oder eBay ebenso genutzt werden wie über soziale Medien, aber auch Telefon, Fax, Whatsapp. „Das kann viel mehr bringen als ein Online-Shop.“

Kunden würden sogenannte „Multi Channel“ sehr schätzen, auch die Preisbereitschaft sei enorm hoch. Was sich dahinter verbirgt: Vor allem Service in allen Facetten. Liefer- und Telefonservices, Beratung auf sozialen Kanälen, Gutscheine, Bestellung per QR-Code, Anproben zuhause oder Verkaufen via „click and collect“. Heinemann: „Auch im Shutdowon lassen sich nennenswerte Umsätze erzielen. Dieses erfordert allerdings, alle Register zu ziehen und den stätionären Laden neu zu erfinden.“ Auch sollten sich Städte untereinander mehr abstimmen, nicht grundsätzlich Autos in den Innenstädten verbieten und keine Einkaufszentren mehr auf der grünen Wiese planen. Zudem appellierte er an die Stadt und Lokalpolitik, es den Händlern so einfach wie möglich zu machen und bürokratische Hürden zu reduzieren.

Angespornt durch diese Vorschläge diskutierten anschließend Unternehmer, städtische Vertreter und Lokalpolitiker virtuell verschiedene Ideen. Die Stadt solle verstärkt positive Präsenz in den sozialen Medien zeigen, war ein Vorschlag. Zudem sollen Ideen gesammelt werden für einen kreativen Hashtag zur „Wohlfühlstadt Korschenbroich“.

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