Muziek Biennale Niederrhein Ganz Liedberg als Konzertsaal

Liedberg · Erstmals war der Ortsteil von Korschenbroich bei der Muziek Biennale Niederrhein dabei – und zwar mit dem Wandelkonzert „AvantGarten“. Das Publikum flanierte von Musikerlebnis zu Musikerlebnis.

 Das Publikum sitzt auf Strohballen, der Chor besteht aus Gymnasiasten, Alltags-Töne sind die Musik. Ein Programmpunkt bei „AvantGarten“ in Liedberg.

Das Publikum sitzt auf Strohballen, der Chor besteht aus Gymnasiasten, Alltags-Töne sind die Musik. Ein Programmpunkt bei „AvantGarten“ in Liedberg.

Foto: Theo Titz

Auf der Wiese hoch über Liedberg stehen 13 Schüler des Gymnasiums Korschenbroich mit ihrer Musiklehrerin Regine Saus und dem Komponisten Vladimir Guicheff Bogacz. Die Gäste hocken erwartungsvoll auf Strohballen. Es dauert eine ganze Weile, bis sie merken, dass das Gemurmel, Gekicher und lebhafte Schwätzen des Chors schon Teil der Komposition ist. Verzeihlich, denn es handelt sich schließlich um eine Aufführung der „AvantGarten“ – es ist ein Konzert für zeitgenössische, für neue Musik.

Bogacz, der auch als „Dirigent“ fungiert, klatscht in regelmäßigen Abständen zurückhaltend in die Hände, worauf der Chor förmlich einfriert. Nur um gleich darauf weiterzumachen mit seinen Alltagstönen. Allmählich ändern sich diese: ein Summen, ein Suchen von Tonlagen, dem Einsingen nicht unähnlich, beginnt. Einzelstimmen heben sich hervor, mal helle, mal tiefe.

Und wieder ändert es sich: Es beginnt zu gickern, zu gackern und zu glucksen – vielleicht hört es sich in einem Taubenschlag so an. Auf einmal brechen alle in scheinbar spontanes Lachen aus. Und finden zurück in ihre ungewöhnlichen Chorlaute. Bogacz hat gemeinsam mit den Schülern diese überraschende Komposition mit dem Titel „No Dead Drop“ entwickelt – sie erhält viel Applaus.

Dass dieses Erlebnis im Programm der Muziek Biennale Niederrhein 2018 in Liedberg möglich ist, ist dem Engagement von Brita Heizmann zu verdanken. Sie hat junge Komponisten und Musiker  nach Liedberg eingeladen, wo sie am Sonntag viele Gäste und Passanten begeisterten. Vom Sandbauernhof über den Alten Friedhof auf die Wiese dahinter, dann zum Turm, zum Schloss und wieder zurück zum Sandbauernhof: Liedberg füllte sich einen Nachmittag lang mit ungewöhnlicher, zeitgenössischer Musik. Es ist ein schönes  Bild, wie die lange Schlange von Menschen auf kleinsten Pfaden durch Liedberg zieht, entschleunigt und gespannt auf die nächste Musikstation.

Was Musik eben auch sein kann, außer dem, was man so kennt und im Radio oder Konzertsaal hört – das erfuhren die Gäste des Konzerts „AvantGarten“. Allein zehn Uraufführungen gab es, weitere Kompositionen aus den vergangenen vier Jahren kamen hinzu.

Mit „Fuckin A“ aus dem Jahr 2014 von Matthias Krüger überraschte der Saxofonist Xavier Larsson Paez die Zuhörer. Was er außer den erwarteten Klängen seinem Saxophon zu entlocken vermochte, versetzte alle in Staunen: Er sprach mit dem Instrument und in es hinein, saugte, blies rein und drüber hinweg, setzte die Klappen ein, um ungewöhnliche Geräusche, Töne zu erzeugen.

Es war die Kombination aus Ort und Klang, die das Wandelkonzert so außergewöhnlich machte. Hinter dem halb verschleierten Eingang zum alten Friedhof hatten sich die Flötistin Suhsuan Wang und ihre Kollegen Martin Letelier, Mazyar Kashian und Zaneta Rydzweska positioniert. Deren Instrumente waren: Glasflaschen. „I’m not there; I do not sleep“ hieß die besondere Komposition aus leisen, zarten, sich aufeinander zu bewegenden Tönen von Euimin Nam.

Man konnte sich kaum satthören an diesen vielfältigen, ungewöhnlichen Klängen, die auf große Begeisterung stießen. Ein ausgesprochen gelungenes Konzert!

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