Otten in Korschenbroich Führungswechsel in Familienbäckerei

Korschenbroich · Florian Otten zieht sich zum 1. April als Chef zurück und verpachtet die Bäckerei an seinen langjährigen Mitarbeiter Frank Rettler. Alles soll so bleiben wie es ist. Auch der Name des Traditionsbetriebs.

 Besitzerwechsel in der Bäckerei Otten: Florian Otten (links) übergibt die Leitung ab dem 1. April an Frank Rettler.

Besitzerwechsel in der Bäckerei Otten: Florian Otten (links) übergibt die Leitung ab dem 1. April an Frank Rettler.

Foto: Bauch, Jana (jaba)

Wo die Beutel mit dem Spritzgebäck und den kleinen Mutzen stehen, weiß Steven schon genau. Er nascht ein paar von den Leckereien, dann holt er sich noch ein Hörnchen, er kann gar nicht genug bekommen. Dann inspiziert der Achtjährige die Backstube mit dem frisch geputzten großen Ofen und die Wohnung darüber. Hier werden sie also bald leben, seine Mutter Nicole, sein Vater Frank und sein zwei Jahre älterer Bruder Lucas, der aus der ersten Ehe seines Vaters stammt.

Zum 1. April übernehmen die Rettlers die Bäckerei Otten an der Mühlenstraße – mit allem, was dazu gehört. Einen Pachtvertrag für zehn Jahre haben sie bereits unterschrieben. „Wir haben die bestmögliche Lösung gefunden“, sagt Florian Otten, der die Familienbäckerei, die sein Urgroßvater vor fast 100 Jahren gegründet hat, seit 2014 führt. Frank Rettler ist ein langjähriger Mitarbeiter der Ottens, hat in dem Korschenbroicher Betrieb seine Ausbildung gemacht und wurde nach seiner Konditorlehre bei Bertram in Eicken vor rund zehn Jahren fest angestellt. „Otten bedeutet für mich Heimat, ich fühle mich der Familie und ihrer Backkunst sehr verbunden“, sagt der Altgeselle.

Umso überraschter sei er von der Nachricht gewesen, dass Florian Otten einen Nachfolger sucht, weil er selbst einen anderen beruflichen Weg einschlagen möchte. „Ich habe immer gedacht, dass ich hier alt werde, dass sich so schnell nichts ändert.“ So sei es auch den anderen Mitarbeitern und vielen Kunden gegangen. Als der Chef seinen Mitarbeitern das Angebot machte, den Laden zu übernehmen und „jeden von ihnen bestmöglich zu unterstützen“, habe er nicht allzu lange gezögert. „Ich habe das mit meiner Frau besprochen, und wir haben uns entschlossen, diese Chance zu ergreifen.“ Dafür muss Nicole Rettler zwar ihre geliebte Tätigkeit als Tagesmutter aufgeben, „aber so etwas kann man nur stemmen, wenn man es mit voller Kraft und von ganzem Herzen macht“, ist die 37-Jährige überzeugt.

Florian Otten hat sich die Entscheidung nicht leicht gemacht, aus dem Bäckereigeschäft auszusteigen. „Aber der Gedanke reifte schon länger in mir. Mein Vater war in diesen Prozess eingebunden und hat mich die ganze Zeit unterstützt.“ So studierte Florian Otten, nachdem er den Meister in der Tasche hatte, Lebensmitteltechnik. „Das war mein beruflicher Plan B“, der nun zum Plan A wird. Otten bewirbt sich bei Unternehmen der Lebensmittelbranche. „Ich suche nach einer neuen beruflichen Herausforderung.“

Als sich sein Vater Paul 2013 zur Ruhe setzte, war es für den ältesten Sohn der Familie Otten keine Frage, den elterlichen Betrieb zu übernehmen. „Ich arbeite hier mit, seit ich 14 bin“, sagt der 32-Jährige, der das Handwerk von der Pike auf gelernt hat. Aber nun, da er selbst eine Familie gegründet hat, merkt er auch, wie sehr ihn die Arbeit als Bäcker und Chef des Betriebs fordert.  Sein Arbeitstag beginnt um 3 Uhr nachts. Denn bei der Bäckerei Otten wird alles frisch gebacken, nichts wird zugeliefert. Abends kümmert er sich um die Bestellungen für den nächsten Tag. Auch samstags und sonntags ist er im Einsatz. Er kommt mit wenigen Stunden Schlaf aus. „Aber ich möchte gerne mehr Zeit mit meiner kleinen Tochter Clara verbringen“, sagt er. Im Juli kommt das zweite Kind, ein Junge, zur Welt. „Ich freue mich dann ganz besonders auf die Wochenenden mit meiner Familie.“

Auch wenn er sich noch nicht wirklich vorstellen kann, wie es sein wird, nicht mehr jede Nacht aus der Wohnung über der Backstube nach unten zu gehen, den Ofen anzuheizen und das Gebäck vorzubereiten, – „natürlich schwelge ich da in jeder Menge Erinnerungen“ –, so kann er diesen Schritt doch leichter gehen, weil er weiß, dass er einen gesunden Betrieb in fähige Hände übergibt. „Wenn man in Korschenbroich nicht wüsste, dass sich die Führung verändert, so bin ich sicher, dass man es nicht merken würde. Alles bleibt wie es ist: die Rezepte, die Mitarbeiter, die Öffnungszeiten, der Name und die bewährte Otten-Qualität.“ Seine Mutter sowie zwei Mitarbeiterinnen verabschieden sich in den Ruhestand. Managen wird den Verkaufsbereich fortan Nicole Rettler, die gelernte Einzelhandelskauffrau ist und ähnlich herzlich wie die Ottens.

Einen Weg zurück gibt es für Florian Otten nicht. Im Pachtvertrag heißt es, dass er in einem Radius von 20 Kilometern keine Backstube eröffnen darf. Die Konkurrenzklausel sei Standard, erklärt Otten. „Aber ich weiß, wo ich hingehen kann, wenn ich mal wieder Lust habe, Teig zu kneten oder Brötchen zu backen.“ Und auch wo er seine geliebte Nuss-Sahne-Torte bekommt.

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