Außergewöhnliche Führungen Expedition in Liedbergs verborgene Keller

Korschenbroich · Angeblich geheime Gänge, Kellerräume, in denen Recht gesprochen und ausgeübt wurde: Liedbergs Untergrund ist reich an Geschichten – mal dramatisch, mal schaurig. Gerd Busch ist der Mann, der die unterirdischen Räume öffnet.

 Sie gewähren Einblick in Liedbergs Gewölbekeller: Gerd Busch (links) und Markus Fongern. Busch hat sich intensiv mit der Geschichte auseinandergesetzt und weiß so einiges über die Räume im Untergrund zu erzählen.

Sie gewähren Einblick in Liedbergs Gewölbekeller: Gerd Busch (links) und Markus Fongern. Busch hat sich intensiv mit der Geschichte auseinandergesetzt und weiß so einiges über die Räume im Untergrund zu erzählen.

Foto: Ilgner Detlef (ilg)

Unter strahlend blauem Himmel scheint es kaum ein friedlicheres Fleckchen Erde zu geben als das historische Liedberg. Doch die alten Gewölbekeller unter den Häusern des Ortes erzählen zum Teil dunkle Geschichten. Geschichten wie etwa die vom großen Feuer 1673, dem 42 Wohnhäuser zum Opfer fielen. Von den Flammen verschont wurden nur Schloss und Mühlenturm.

Das Haus am Marktplatz 4 ruht auf einem der alten Gewölbekeller, von denen es vielleicht noch fünf bis sechs geben mag. „Es ist schon spannend einen solchen Keller im Haus zu haben. Ich nutze ihn ein- bis zweimal im Jahr, meistens zu Halloween wegen des Gruselfaktors – und im Sommer auch zum Kühlen von Getränken“, sagt Bewohner Markus Fongern, dessen Eltern das Haus vor Jahren liebevoll restauriert haben.

Im urwüchsig anmutenden Tonnengewölbe über einer Grundfläche von 8,10 mal 5,10 Metern lässt es sich selbst bei Rekordtemperaturen dank des dicken Mauerwerks von 80 bis 100 Zentimetern gut aushalten. Es ist aus Sandquadern gebaut, die dem Berg entnommen wurden. Drei Schächte führen nach oben. An einer Öffnung sind Rauchspuren erhalten. Ob im Keller geräuchert wurde oder die Spuren vom Feuer 1673 sind, lässt sich nicht sagen. Fremdenführer Gerd Busch vermutet, dass der Keller zwischen 1608 und 1630 errichtet wurde. Bis 1600 hatte es mit Ausnahme des Weinhauses keine Häuser außerhalb der Schlossmauer gegeben. 1608 aber erhielt Liedberg städtische Privilegien, darunter das Marktrecht. Unterhalb der Schlossmauern wurde dann günstiges Bauland angeboten.

Während der niederländisch-französischen Auseinandersetzungen geriet der Ort zwischen die Fronten und wurde samt Stadttoren – mit Ausnahme von Schloss und Mühlenturm – 1673 im Kanonenfeuer der Holländer eingeäschert. Beim Wiederaufbau wurden die Gewölbekeller als Fundament für neue Häuser genutzt. Im Keller unter dem Weinhaus, wo einst auch Recht gesprochen und ausgeübt wurde, lagerten vermutlich Weinfässer. Unter dem Rittersaal ist ein Keller erhalten, in dem laut Busch einst Bier gebraut und Brot gebacken wurde, damit die hohen Herren bei einer Belagerung autark waren. Lange hielt sich die Behauptung, es gebe einen Keller unter dem Schloss, der in einen tieferliegenden Keller führen würde. Doch dieser wurde nie gefunden.

Der größte Gewölbekeller des Ortes liegt unter dem Landgasthaus. Das Gebäude wurde Anfang des 19. Jahrhunderts mit dem tiefliegenden Gewölbekeller aus Sandstein gebaut. Hier lagerten die Fässer einer Brauerei. Sie war eine von ehemals vier Brauereien, doch wegen des Eiskellers die erste und einzige vor Ort, in der untergäriges Bier gebraut wurde.

Das unterirdische Liedberg bietet reichlich Stoff für Spekulationen und Legenden. So soll ein Geheimgang vom Schloss in den Gewölbekeller des Hauses an der Schlossstraße 29 führen. Auch dieser unterirdische Pfad wurde bisher nicht gefunden. Es mag die Fantasie beflügeln, dass der Hügel von unterirdischen Stollen durchzogen ist, da hier einst der Liedberger Sandstein abgebaut wurde. Frühere Erzählungen über weit verzweigte Geheimgänge von beachtlicher Höhe und Reichweite werden inzwischen zumeist ins Reich der Legenden verbannt. Die Zugänge zu den Stollen sind inzwischen geschlossen.

Das sogenannte Pfadfindergrab erinnert an drei Jugendliche, die 1930 über einen Kriechgang den unterirdischen „Piratensaal“ erreichen wollten und verschüttet wurden. Es lässt sich nicht mehr klären, wie es zu dem tödlichen Unfall kam, nachdem andere das Abenteuer unbeschadet überstanden hatten. „Ob sie vielleicht eine geheime Schutzfunktion entsicherten, bleibt Spekulation“, sagt Busch. Er ist sich sicher: „In Liedberg sind längst nicht alle Geheimnisse aufgedeckt.“

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort