Festakt in Korschenbroich Der 3. Oktober 1989 und die „Tradition des Gedenkens“

Korschenbroich · Das Trompetenquartett der Musikschule des Rhein-Kreises Neuss begrüßte die Gäste zum Tag der Deutschen Einheit im Korschenbroicher Ratssaal. Gut 150 Menschen sind zur Feierstunde gekommen.

 Roman Grafe sprach zum Tag der Einheit.

Roman Grafe sprach zum Tag der Einheit.

Foto: Isabella Raupold/Raupold

Mit „We are Family“ begrüßte das Trompetenquartett der Musikschule des Rhein Kreises Neuss mit Christopher Böttges, Len Haskic, Carl Neumann und Anil Sevim die Gäste des Festaktes zum Tag der Deutschen Einheit im Korschenbroicher Ratssaal.

Als das Lied im Jahr 1979 veröffentlichte wurde, sei, so Bürgermeister Marc Venten in seiner Begrüßung, Deutschland eine Familie gewesen, aber eine, „die sich nicht sehen durfte, da sie durch den eisernen Vorhang getrennt war.“ Gut 150 Gäste waren zur Feierstunde zum Tag der Deutschen Einheit in den Ratssaal gekommen. Unter ihnen der Bundestagsabgeordnete Ansgar Eveling und der stellvertretende Bürgermeister Hans-Willi Türks. Ein Ehrengast war Vize-Landrat Dr. Hans-Ulrich Klose. Er betonte die Bedeutung eines Gedenkens an die Wiedervereinigung. Mit ihr sei nicht nur die Einheit, sondern auch die Freiheit wiedergewonnen worden. Die Tradition des Gedenkens an den 3. Oktober sei notwendig. Klose appellierte an Bürgermeister Venten: „Halten Sie daran fest!“

In diesem Jahr hatte die Stadt unter dem Motto: „Getrennt, vereint, gemeinsam“ den Autor und Journalisten Roman Grafe eingeladen. Bis zum Mai dieses Jahres habe er Korschenbroich nicht gekannt, sagte Grafe. Die Nachbarstadt Mönchengladbach kenne er dagegen schon seit seiner Kindheit. Natürlich wegen des Fußballs. Der 1968 geborene Grafe lebte bis zum Januar 1989 in der DDR. Bereits 1985 hatte er einen Antrag auf Übersiedlung gestellt. „Bleiben müssen war Grund genug, gehen zu wollen“, formulierte Grafe. Aber: „Der Westen war weit weg und unerreichbar.“

Nach seiner Ausreise absolvierte Roman Grafe im schweizerischen St. Gallen ein Studium an der dortigen Journalistenschule. Er arbeitet unter anderem für die ARD, die Süddeutsche Zeitung, die FAZ und Die Zeit. Zudem ist er als  freier Autor unterwegs. In Büchern wie „Deutsche Gerechtigkeit. Prozesse gegen DDR-Grenzschützen und ihre Befehlsgeber“ oder dem 2002 erschienenen „Die Grenze durch Deutschland. Eine Chronik von 1945 bis 1990 aus dem Jahr 2002“ setzt er sich mit der innerdeutschen Grenze auseinander.

In seiner Ansprache beim Festakt in Korschenbroich las Grafe Ausschnitte aus der über 500 Seiten starken Chronik. In ihr hat er Zeitzeugen aus Probstzella in Thüringen, einer sogenannte Grenzübergangsstelle der DDR, interviewt. Es sind Themen wie die Einrichtung der Sperrzone, die stete Gefahr einer Zwangsaussiedlung („Wer gegen das Grenzgesetz ist, wird ausgesiedelt.“), die Tendenz zum gegenseitigen Verrat, die oft tödlich verlaufenen Fluchtversuche, über die Grafe mit den Menschen aus Probstzella und Umgebung gesprochen hat. Die Unmittelbarkeit der Aussagen der Zeitzeugen, die nüchterne chronologische, unkommentierte Auflistung Grafes machen die Beschreibungen so bewegend und fesselnd.

Aber Grafe stellte in seiner Rede  auch Fragen nach der Gegenwart. „Wie ernst nehmen wir das Leid der Opfer des SED-Regimes?“ Darüber hinaus prangert der Journalist an, dass ein ehemaliger Kompaniechef, der an der Grenze getötet habe, in späteren Jahren Chef der Arbeiterwohlfahrt geworden sei. Auch andere frühere SED-Leute seien später in hohe Ämter gekommen.

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