Korschenbroich Kitsch und Kunst im königlichen Spiel
Korschenbroich · Willi Kempen spielt und sammelt Schach. Welche Ausmaße seine Leidenschaft hat, zeigt er gern seinen Besuchern.
Mit Miss Piggy die Muppets-Kollegen Kermit und Gonzo per Springergabel aufspießen; die Königin von Schweden mit einem russisch beflaggten Wehrturm aus Porzellan bedrohen; einen elfenbeinernen Kriegselefanten zum Grundlinienmatt ziehen. Wer solch extravagante Fantasien pflegt, hat entweder nicht alle Tassen im Schrank oder die Vitrinen voller Schachfiguren, heißt Willi Kempen und wohnt sein Leben lang im Schatten von St. Andreas.
Willi Kempen ist ein Korschenbroicher Urgestein. Vor bald 75 Jahren in eine Metzger-Familie geboren, lernte er zunächst das väterliche Handwerk, bevor er zur Deutschen Bank nach Düsseldorf ging und seit 1970 für fast 30 Jahre der Mann am Autoschalter der Gladbacher Bank war. Schach spielt Willi Kempen, seit sich 1947 in der Wirtschaft Steigels, im Haus nebenan, die Schachfreunde Korschenbroich gründeten.
Kempen war und ist — immer noch — gut. 1961 spielte er mit Viersen in der Bundesklasse, seit den 80ern beim Rheydter Schachverein. Seine Blitz-Fähigkeiten sind gefürchtet, noch heute. Trotz angegriffener Gesundheit ist er regelmäßig bei der Deutschen Seniorenmeisterschaft dabei. Er kennt die Schach-Welt, Großmeister gehen bei ihm ein und aus.
Dass so ein Mann irgendwann vom Sammel-Virus infiziert wird, ist nicht ungewöhnlich. Das Ausmaß, das die Leidenschaft bei Willi Kempen angenommen hat, allerdings schon. "Alles fing Anfang der 90er an, bei einem Fernschach-Treffen in Winterberg. Da hatte ein Schachfreund einen ganzen Tisch mit Schach-Postkarten ausgebreitet", erinnert sich Kempen heute. Er kaufte den ganzen Tisch, lernte kurze Zeit später den Vorsitzenden der deutschen Schach-Motive-Sammler Herbert Roeder kennen, der ebenfalls in Korschenbroich lebt. Seitdem hortet Willi Kempen so ziemlich alles, was mit Schach zu tun hat.
Ein riesiger Wohnzimmerschrank beherbergt Briefmarken- und Postkarten-Alben. Fernschach-Karten aus dem Jahr 1876, Sonderstempel der Schach-Olympiade 1936, bonbonbunte Ansichtskarten von Kurorten mit Freiluft-Schach. Die Zahl der Figuren-Sätze ist inzwischen auf mehr als 350 angewachsen — Vitrinen im Keller quellen über von Seltenem, Kostbarem und Kitsch. Russisches Porzellan und chinesisches Elfenbein, Zinn aus Mexiko, Holzschnitzereien aus Afrika, Plastik-Dinos und das originale Coca-Cola-Schach aus knallrotem Blech.
Das Kriegsspiel Schach hat Künstler Heere mit historischen Personen gestalten lassen, da prallen waffenstarrende Armeen in schwarz und weiß aufeinander. Aber es stehen auch die Comic-Helden von Mickey-Mouse oder South Park in Kempens Vitrinen. Der Blick streift über historische Schachbücher, historische Schachkarikaturen, lithographische Auflagenobjekte oder Unikate.
Willi Kempens neueste Sammelleidenschaft gilt der Schachuhr. Schon über 50 Exemplare dieser doppelten Zeitmesser haben sich angesammelt und werden demnächst ein eigenes Regal erhalten. Mit einem der Altertümer soll 1921 der WM-Kampf zwischen Lasker und Casablanca ausgetragen worden sein. Da gab es Miss Piggy noch nicht.