Interview mit Medienexperte Dennis Horn „Es gibt keine Stopptaste für die Digitalisierung“

Korschenbroich · Der Medienexperte kommt am 29. Januar um 20 Uhr in den Ratssaal. Ein Gespräch über die Digitale Revolution und ihre Folgen.

  Foto: Dennis Horn

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Wie nimmt man Menschen die Angst vor der Digitalisierung?

Dennis Horn Indem man zeigt, welche Vorteile Digitalisierung mit sich bringt. Wir stürzen uns zu sehr darauf, was nachteilig ist. Dabei merken wir jeden Tag, wie sehr digitale Hilfsmittel unseren Alltag erleichtern. Nehmen wir nur mal das Smartphone. Die Geräte und Werkzeuge, die wir früher auf dem Schreibtisch hatten, stecken heute alle in diesem kleinen Gerät drin. Wir betrachten oft nur die negativen Seiten. Dabei geht es viel mehr darum, den Prozess der Digitalisierung positiv zu gestalten. Denn aufhalten können wir ihn nicht.

Warum wird dennoch vieles so negativ gesehen? Liegt das in der Natur des Menschen?

Horn Ja, natürlich. Alles was neu ist, ist ja erst einmal eine Herausforderung und unbekannt. Neue Technik wurde in der Geschichte oft zunächst kritisch gesehen. Als Autos entwickelt wurden, gab es die große Diskussion: Leiden unsere Körper unter den hohen Geschwindigkeiten? Das hat eine lange Historie.

Aber es gibt ja auch Schattenseiten der Digitalisierung. Empörungswellen werden häufiger.

Horn Da muss man differenzieren, worüber wir genau sprechen. Natürlich gibt es Schattenseiten und sie sind im Moment auch sehr präsent, weil die Gesellschaft noch aushandelt, wie sie mit dieser Digitalen Revolution überhaupt umgeht. Wenn es speziell um die Empörungswellen geht, muss man sagen, dass Leute ja auch vorher bereits zum Teil extreme Ansichten und Meinungen hatten. Aber sie hatten eben keine Mittel, das auch öffentlich kundzutun. Jetzt haben wir einen digitalen Raum, wo all diese Meinungen aufeinanderprasseln.

Es scheint im digitalen Raum häufig schwieriger, Wahres von Falschem zu unterscheiden. Gibt es da ein Mittel gegen?

Horn Auch da finde ich es schwierig, das allein auf das Internet zu kaprizieren. Es gab auch früher Menschen, die Flyer gedruckt haben, auf denen sich Propaganda befand. Dieser Mechanismus dreht sich jetzt nur schneller und man kann einfacher große Reichweiten erzielen. Die beste Lösung ist Medienkompetenz. So wie wir vorher Quellenkritik an einem Blatt Papier geübt haben, so müssen wir das jetzt auch im Internet machen. Bestimmte Fähigkeiten, die bisher vor allem Journalistinnen und Journalisten gebraucht wurden, benötigen wir als mündige Nutzer im Internet jetzt ebenfalls.

Wenn wir also einmal den Blick nach vorne richten: Haben Sie eine Vermutung, wohin sich das Ganze in den nächsten Jahrzehnten entwickeln wird? Ist das eher eine Utopie oder eine Dystopie?

Horn Ich vermeide es immer von einer Zukunft zu sprechen. Weil ich glaube, dass es diverse Zukünfte gibt, auf die es hinauslaufen könnte. Eine Dystopie wäre, dass die Gesellschaft den Umgang mit dieser Entwicklung nicht rechtzeitig lernt. Und dadurch unsere Demokratien unter Beschuss geraten oder verschwinden. Eine Utopie wäre, dass sich diese Dinge zum Guten wenden. Dass wir es schaffen diese Technik einzusetzen, um aufzuklären, Krankheiten zu besiegen, um nachhaltiger zu werden.

Jetzt hat die Digitalisierung, wie Sie gesagt haben, ja bereits viel positiven Fortschritt gebracht. Gibt es dennoch weitere Schattenseiten, die sie umtreiben?

Horn Ein Problem, das wir heute bereits haben, ist Künstliche Intelligenz, die in Bewerbungsverfahren eingesetzt wird. Die wird dann mit Daten gefüttert aus bisherigen Verfahren, in denen Frauen benachteiligt wurden. Der Computer führt die Fehler der Vergangenheit dann einfach fort. Oder wenn wir Künstliche Intelligenzen mit Bilderkennung haben, die Fotos von schwarzen Menschen automatisch in einen Ordner ablegen, der „Gorillas“ heißt. Das sind alles Dinge, die passiert sind. Diskriminierung durch Künstliche Intelligenz ist heute schon Alltag. Mich treibt auch um, wie die Gesellschaft im digitalen Raum miteinander umgeht. Außerdem haben wir die Frage des Energieverbrauchs für das Internet. Das sind alles Herausforderungen, die damit einhergehen.

Ist das dann auch Ihre Botschaft für die Veranstaltung am 29. Januar? Die Dinge positiver zu sehen und dass, wenn es ums Negative geht, oft die falschen Debatten geführt werden?

Horn Dass die falschen Debatten geführt werden auf jeden Fall. Ich bin auch kein Dauer-Optimist. Aber es ist wichtig zu der Einsicht zu kommen, dass es keine Stopptaste für die Digitalisierung gibt. Und dass es unsere Aufgabe ist, sie zu gestalten. Wenn wir nur negative Diskussionen führen, dann hält es uns davon ab, zu gestalten.

Ist es dann auch eine Art kleines Medientraining, das Sie Ihren Gästen anbieten?

Horn Das kommt darauf an, welche Fragen der Moderatorin Birgit Wilms und mir aus dem Publikum begegnen. Ich erkläre bei der ARD ja, wie man mit bestimmten Dingen umgehen sollte. Ich kann sicher eine Reihe von Tipps geben. Da werden ein paar Punkte rausspringen, die man als mündiger Bürger wissen und können sollte.

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