Korschenbroich Hildegundis aus Liedberg

Korschenbroich · Hildegundis von Meer kam in Liedberg zur Welt. Doch ihr Vater soll ein anderer sein, als bisher vermutet. Auch dass sie ein Kloster aus Sühne gründete, glaubte man bislang. Eine Zeitreise ins Mittelalter räumt mit alten Mythen auf.

 Hildegundis von Meer wird gern mit einer Nachbildung der römischen San Lorenzo Kirche dargestellt.

Hildegundis von Meer wird gern mit einer Nachbildung der römischen San Lorenzo Kirche dargestellt.

Foto: T. Zimmermann

Sie gilt als eine der bedeutendsten Frauen von Meerbusch, seit sie dort vor 850 Jahren das Kloster Meer gegründet hat: Hildegundis von Meer. In der Nachbarstadt wird das Jubiläum mit zahlreichen Veranstaltungen begangen. Auch die Korschenbroicher erheben Anspruch auf die Klostergründerin. Hildegundis sei schließlich zwischen 1110 und 1115 in Liedberg geboren. Doch stimmt das wirklich? War Hermann von Liedberg tatsächlich ihr Vater, wie es über Jahrhunderte hinweg überliefert wurde?

Der Heimatforscher Jakob Bremer zweifelte 1930 in seinem Buch über das "kurkölnische Amt Liedberg" nicht daran. Hermann von Liedberg und seine Frau Hadwig seien die Eltern von Hildegundis, schreibt er dort. Doch als erwiesen gilt heute nur: Hadwig war die Mutter von Hildegundis, und sie trat als Witwe um 1151 in das Kloster Dünnwald ein. Zu diesem Zeitpunkt hatte man von ihrem mutmaßlichen Ehemann Hermann schon über 40 Jahre nichts mehr gehört. Das lässt den Historiker Guido Rotthoff an dieser Ehe zweifeln: "Wenn uns Hermann von Liedberg nach 1109 in keiner Quelle mehr begegnet, ist es unwahrscheinlich, dass er über 1109 hinaus noch lange gelebt hat", schreibt er 1998 in einem Aufsatz zur Krefelder Stadtgeschichte. Demnach hätte Hadwig 40 Jahre gewartet,ehe sie als Witwe ins Kloster eintrat. Das hält er für unwahrscheinlich und schlussfolgert: Hermann kann nicht ihr Ehemann gewesen sein, sondern er war ihr Vater und Hildegundis' Großvater. Damit würde Hildegundis tatsächlich aus der Herrschaft Liedberg stammen -allerdings mütterlicherseits und nicht väterlicherseits, wie bisher angenommen. Und wer wäre dann ihr Vater?

Guido Rotthoff beruft sich auf ältere Quellen und bringt den Edelherren Gottfried von Meer ins Spiel, der bis nach 1124 gelebt hat. Wäre er mit Hadwig verheiratet gewesen, würde das die Verbindung der Herrschaften Liedberg und Meer am einfachsten erklären, schreibt er. Bleibt noch die Frage nach Hildegundis' Geburtsort: "Die Edelherren herrschten im Mittelalter vor Ort und mussten deshalb viel reisen. Nicht selten nahmen sie den gesamten Hausstand mit. So kommen mehrere Orte im Städteviereck Köln-Neuss-Mönchengladbach-Krefeld in Betracht, in denen sie geboren sein könnte", sagt der Meerbuscher Historiker Mike Kunze. Immerhin: Liedberg bleibt als Geburtsort von Hildegundis im Rennen. Mike Kunze räumt allerdings mit weiteren Überlieferungen auf und zeichnet in der Festschrift "850 Jahre Haus Meer" weniger das Bild einer frommen Klostergründerin, als das einer weitsichtig und klug agierenden Witwe. Mit der Gründung des Frauenklosters habe sie nur ein Ziel verfolgt: ihr Erbe in der mittelalterlichen Gemengelage zwischen Erbansprüchen ihrer Schwester sowie geistlichen und weltlichen Machtstrukturen zu sichern.

Dass sie Kloster Meer aus Sühne gründete, weil ihr Sohn Dietrich bei der Eroberung Roms die Brandfackel in die Kirche San Lorenzo geworfen habe, und sie deshalb einen Nachbau der Kirche San Lorenzo errichten ließ, siedelt er im Bereich der Legenden an. Denn die römische Laurentius-Basilika wurde erst 1167 eingeäschert. Da war Hildegundis' Sohn Dietrich tot und das Kloster gegründet. Trotzdem wird sie immer wieder mit einer Nachbildung der römischen Kirche San Lorenzo dargestellt: Weil die Gemälde in jenen Zeiten entstanden sind, als man noch an den Überlieferungen festhielt. Nur als kluge Frau, und ohne die Legende einer Mutter, die die Freveltat ihres Sohnes sühnt, hätte man sie kaum als selig verehrt.

(NGZ)
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