Korschenbroich Glehn war Marmeladen-Zentrum am Rhein

Korschenbroich · 1878 gründete Adam Titz eine Marmeladen- und Krautfabrik in Glehn. Der Zeitzeuge Adolf Hütches berichtet von den Betriebsabläufen.

 In hunderten solcher Holzfässer lagerte das Rohmaterial für die Herstellung der Marmeladen und Konfitüren. Im Hintergrund die Firmenhallen, in denen aus Kirschen, Erdbeeren und Pflaumen weiterverarbeitet wurden.

In hunderten solcher Holzfässer lagerte das Rohmaterial für die Herstellung der Marmeladen und Konfitüren. Im Hintergrund die Firmenhallen, in denen aus Kirschen, Erdbeeren und Pflaumen weiterverarbeitet wurden.

Foto: lothar berns

Die Bachstraße — das ist der Ort in Glehn, an dem sich ein Einzelhändler neben dem anderen reiht, wo moderne Supermärkte zum Einkaufen einladen. Dass das gesamte Areal einmal im Besitz einer einzigen Firma war, die auf ungezählten Frühstückstischen mit ihren Produkten vertreten war, geriet in den vergangenen Jahren mehr und mehr in Vergessenheit. "Dabei war Glehn im Rheinland und auch darüber hinaus bekannt für seine Marmeladen, Konfitüren und Kräuter", sagt Adolf Hütches (74), der selbst 26 Jahre lang bei "Titz" gearbeitet hat — und sämtliche Dokumente verwahrt, die vom Familienunternehmen übriggeblieben sind.

 Adolf Hütches verwahrt bis heute originale Titz-Marmeladengläser.

Adolf Hütches verwahrt bis heute originale Titz-Marmeladengläser.

Foto: Berns, Lothar (lber)

Die Firma Titz hat Glehn geprägt. Etwa der Titzpark wurde nach der Unternehmerfamilie benannt, die das Grundstück im 20. Jahrhundert gepachtet hatte. "Bis Dezember 1980 wurde in den Betriebshallen der Firma Titz Marmelade und Rübenkraut hergestellt", erzählt Hütches. Der Sohn von Gründer Adam Titz, Matthias Titz, übernahm den Betrieb um 1900, sein Sohn Theo Titz folgte ihm nach dem Zweiten Weltkrieg. In Spitzenzeiten zählte die 1878 gegründete Fabrik 150 Mitarbeiter, zum Ende der 1970er Jahre schrumpfte die Belegschaft auf gerade einmal 14 Personen. "Ganz links stehe ich", zeigt Adolf Hütches das letzte Gruppenfoto, das 1978 vor der Fabrik entstand.

 Ein Glas nach dem anderen verließ die Produktionshallen in Glehn.

Ein Glas nach dem anderen verließ die Produktionshallen in Glehn.

Foto: Berns, Lothar (lber)

Noch heute hat der ehemalige Betriebsassistent jeden Produktionsschritt genau vor Augen: "Zur Herstellung von Zuckerrüben-Sirup etwa wurden die Rüben erst gewaschen, in Dampffässern gedämpft, zerkleinert, gepresst, der Saft gefiltert, eingedickt, gekocht und in große Vorratstanks gepumpt. Danach wurde das fertige Sirup in Pappbecher abgefüllt", schildert der gebürtige Glehner. Bis zu 200 000 Zentner Rüben wurden auf die Weise in der Saison verarbeitet. Und der Betrieb wurde mit den Jahren immer fortschrittlicher: "Engländer bewundern Glehner Roboter", titelte die Neuß-Grevenbroicher Zeitung in ihrer Ausgabe vom 7. November 1959 zur Einrichtung einer Anlage, die international auf dem damals modernsten Stand der Technik war. "Von da an wurden die Marmeladen und Konfitüren im Sterilisator vollautomatisch pasteurisiert, abgefüllt, verpackt und etikettiert", erinnert sich der 74-Jährige, der noch heute einige Gläser "Pflaumella"-Pflaumenmus, Rübenkraut und Preiselbeer-Marmelade mit der Aufschrift "Titz" aus den 1970er Jahren aufbewahrt.

 Im Laufe der Jahrzehnte schrumpfte die Belegschaft auf 14 Personen. Dieses

Im Laufe der Jahrzehnte schrumpfte die Belegschaft auf 14 Personen. Dieses

Foto: ganz links im Bild steht Adolf Hütches.

"Wenn Kirschen, Erdbeeren, Äpfel und Co. reif wurden, brachten viele Glehner ihr Obst zur Fabrik und erhielten im Gegenzug einige Gläser Marmelade", sagt Adolf Hütches. Gelagert wurde dieses Rohmaterial in Holzfässern auf dem Gelände der Firma Titz, die große Mengen des niederrheinischen Brotaufstrichs an kleine Supermärkte in ganz Westdeutschland verkaufte.

1977 wurde das Glehner Unternehmen von der Firma "Grafschafter" aus dem Siegerland gekauft, die noch heute das Zuckerrüben-Sirup unter dem Namen "Goldsaft" vertreibt. Drei Jahre später wurde der Betrieb auf dem knapp 30 000 Quadratmeter großen Gelände eingestellt. Was folgte, war ab 1986 der Abriss: "Der Schornstein wurde gesprengt und alle Gebäude abgebrochen", sagt Hütches, der ab Anfang der 1980er Jahre für einen Mönchengladbacher Marmeladenhersteller arbeitete.

Heute engagiert sich Adolf Hütches bei den Glehner Heimatfreunden und setzt sich dafür ein, die Geschichte des Ortes aufrecht zu erhalten. Ab April bietet er anlässlich des 40-jährigen Bestehens der Heimatfreunde an mehreren Wochenenden gemeinsam mit Walter Brockers Führungen durch den Ort an, bei denen auch die Marmeladenfabrik nicht zu kurz kommen soll.

(NGZ)
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