Korschenbroich Blick in historische Gemäuer

Korschenbroich · Erstmals seit 1836 konnten gestern am Tag des offenen Denkmals hunderte Besucher vom 18,56 Meter hohen Mühlenturm aus den Blick über Liedberg genießen. Auch in das Liedberger Schloss durften sie hineinschauen.

Liedberg Als Julius Nagel gestern Mittag den Mühlenturm betrat, war er erleichtert. "Zum Glück muss man hier keine Leiter hoch", sagte der Sechsjährige und sah die stählerne Wendeltreppe hinauf. "Dann hätte ich mich da vielleicht nicht hoch getraut." Die 102 Stufen, die an den dicken Quaderbausteinwänden entlang nach oben zur Aussichtsplattform im Freien führen, meisterte er problemlos. Sein Vater Christian hob ihn auf die breite Außenmauer, so dass er den Ausblick über Liedberg genießen konnte. "Wow", sagte Julius, als er Richtung Schloss schaute. Der Junge zählte gestern am Tag des offenen Denkmals zu den ersten Besuchern seit 1836, die den frisch sanierten 18,56 Meter hohen Turm erklimmen durften.

Eine Ruine

Eigentümer Hans-Otto Scherer machte das möglich. "Vor zwei Jahren war der Turm noch eine Ruine", erzählte Scherer bei der Eröffnung am Vormittag. Mit Hilfe des Straelener Stahlbauers Karl Alsters ersetzte er die maroden Zwischendecken durch die Wendeltreppe aus Stahl. Auf sechs Podestebenen können die Besucher einen Zwischenstopp machen und durch die hohen Fensteröffnungen schauen. "Privat, ohne Zuschüsse" habe er die Arbeiten finanziert, sagte Hans-Otto Scherer, dessen Familie seit rund 200 Jahren im Besitz des Turms ist.

Bereits im 9. Jahrhundert stand das Gebäude und diente der Bevölkerung als Zufluchtsstätte, als die Normannen kamen. "Ursprünglich war er Teil der ersten Liedberger Burg", erzählte Hans-Otto Scherer. 1572 wurde er als Windmühle eingerichtet, der untere Teil diente als Gefängnis. Bei einem Sturm wurde der Mühlenturm 1836 stark beschädigt, deshalb durften die Liedberger nicht mehr hinein. Eine Müllerfamilie nutzte ihn bis 1855. Damals gab es einen tragischen Unfall: Der Müllersohn stürzte von dem hölzernen Umlauf, der außen am Turm angebracht war und fiel in die Tiefe. Den Fall überlebte er nicht, seine Familie verließ den Bau. Fortan stand er leer und verfiel, bis Hans-Otto Scherer beschloss, zu restaurieren. "Das war eine interessante Aufgabe", sagte er. Ihm sei es wichtig gewesen, dass die Öffentlichkeit etwas von dem Turm habe.

Bis Oktober können Besucher das denkmalgeschützte Gebäude samstags und sonntags besichtigen, so wie es Julius Nagel gestern tat. Nicht nur er war begeistert, sondern auch Schwester Kassandra (7) und Vater Christian. "Das ist klasse hier", sagte der Papa, der mit seiner Familie aus Wassenberg nach Liedberg gekommen war. "Und gleich sehen wir uns noch das Schloss an."

(RP)
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