Korschenbroich Als wäre es gestern passiert

Korschenbroich · Vor genau 80 Jahren gab es im Liedberger Wald eine Tragödie: Drei junge Pfadfinder aus Düsseldorf wurden in den stillgelegten unterirdischen Quarzsandstollen verschüttet. Ein Kreuz erinnert noch heute an die drei Toten.

Liedberg Ein schlichtes Kreuz aus Granit erinnert an das Unglück, das sich vor 80 Jahren in dem alten unterirdischen Stollensystem des Liedberger Haags zugetragen hat. Es ragt in einer Mulde am nördlichen Hang des Schlosses aus dem Waldboden. Drei Namen sind darauf eingraviert: Paul Schneiders, Albert Voigt und Heini Pöstges. Diese drei jungen Pfadfinder aus Düsseldorf wurden in der Nacht vom 21. auf den 22. Juni 1930 rund sieben Meter unter der Erde verschüttet und ließen ihr Leben. Ihre 13 Kameraden, mit denen sie in die unterirdischen Gänge eingedrungen waren, konnten sich retten.

Nachts in den Stollen gestiegen

"Für die Liedberger hat dieses Unglück immer noch große Bedeutung. Es ist, als wäre es erst gestern passiert", erzählt Lorenz Meyer. Der 63-Jährige ist Mitglied der Arbeitsgruppe historisches Liedberg und hat sich mit der tragischen Geschichte befasst. So sei zum Beispiel nicht mehr nachzuvollziehen, wo die Jungen in die stillgelegten Quarzsandstollen eingestiegen seien. Von etwa 23 bis 2 Uhr feierte die Pfadfindergruppe namens "Schinderhannes" in der Nacht zum 22. Juni ihr Sommernachtsfest in einer alten Sandgrube des Liedberger Haags.

Was dann passiert, ist heute nur noch zu vermuten: Die Jungen beschließen, in das Stollennetz einzudringen und dort unten eine Urkunde zu hinterlassen. Sie tasten sich bis zum so genannten Piratensaal vor, der etwa zehn Meter lang, zehn Meter breit und fünf Meter hoch sein soll. Als die Pfadfinder die Urkunde vergraben, lösen sich hängende Felsbrocken. Paul Schneiders (17), Albert Voigt (16) und Heini Pöstges (15) werden so von den Steinen getroffen, dass die anderen sie nicht befreien können. Sie fliehen und holen Hilfe.

"45 Jahre später hat Feuerwehrmann Hermann Eßer einen Bericht verfasst", erzählt Lorenz Meyer. Im Morgengrauen des 22. Junis, gegen 5 Uhr, stiegen Eßer und seine Kameraden demnach mit Pechfackeln ausgerüstet in die Gänge hinunter. Einer der Pfadfinder wies ihnen den Weg. "Nach etwa 20 Minuten Kriechen rief der Junge: Dort ist es!", schrieb Hermann Eßer 1975. "In einer Mulde, etwa fünf Meter vor uns, sah ich den dunkellockigen Kopf eines Jungen, der mit dem Gesicht auf den vorgestreckten Händen lag. Ich stürzte zu dem Jungen hin und fasste ihn an den Händen. Ich fühlte, dass sie kalt waren." Es war die Leiche des 15-jährigen Heini Pöstges. Ihn konnten die Männer befreien, doch die anderen beiden Jungen zu bergen, war zu gefährlich. Sie mussten sie zurücklassen.

Ein Kieselstein zum Gedenken

Bald nach dem Unglück wurde das Kreuz aus Granit am Nordhang des Schlosses aufgestellt. "Viele nennen es Pfadfindergrab. Aber es ist eine Gedenkstätte, denn man weiß nicht, wo genau sich die beiden verschütteten Jungen befinden", sagt Lorenz Meyer. "Noch heute kommt regelmäßig ein Mann dorthin und legt zur Erinnerung einen Kieselstein auf das Kreuz."

(RP)
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