Einsturz des Kölner Stadtarchivs Staatsanwaltschaft verhindert Verjährung

Köln · Der Einsturz des Kölner Stadtarchivs jährt sich am 3. März zum fünften Mal – an Rosenmontag. Die Staatsanwaltschaft hat kurz vor dem Stichtag die Verjährung verhindert. Ob und wann Anklage erhoben wird, ist völlig offen.

Die Ermittlungen zum Einsturz des Kölner Stadtarchivs
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Foto: dpa, Oliver Berg

Der Einsturz des Kölner Stadtarchivs jährt sich am 3. März zum fünften Mal — an Rosenmontag. Die Staatsanwaltschaft hat kurz vor dem Stichtag die Verjährung verhindert. Ob und wann Anklage erhoben wird, ist völlig offen.

Am fünften Jahrestag der Stadtarchiv-Katastrophe müssen die Vertreter der Stadt zeitig aufstehen: Am frühen Morgen des Rosenmontags wollen sie der Opfer gedenken, die beim Einsturz des Gebäudes am Kölner Waidmarkt ums Leben kamen. Da der Unglücksort in der Kölner Südstadt — an Rosenmontag das Zentrum des Frohsinns — liegt, drohen sonst Karnevalisten die Atmosphäre zu stören. "Wir wollen, dass das Gedenken pietätvoll abläuft, ohne singende und trompetende Menschen in der Nähe", sagt ein Sprecher der Stadt Köln über die Kranzniederlegung. Auch der Rosenmontagszug, der in der Südstadt um 10.30 Uhr startet, macht wie in den vergangenen Jahren einen Bogen um die Unglücksstelle, an der am 3. März 2009 das Stadtarchiv in eine Baustelle der Kölner U-Bahn stürzte. Zwei Menschen starben. Der Schaden wird auf eine Milliarde Euro geschätzt.

Kölner Stadtarchiv eingestürzt: Augenzeugen berichten
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Die Katastrophe ist in Köln nicht verarbeitet — auch nicht juristisch. Kurz vor dem fünften Jahrestag hat nun die Staatsanwaltschaft 89 Beschuldigte benannt und damit die strafrechtliche Verjährung verhindert. Dadurch verlängert sich der Zeitraum um weitere fünf Jahre, in denen es zu einer Anklageerhebung kommen kann. "Es ist aber noch völlig unklar ob und wann Anklage erhoben wird", betonte Oberstaatsanwalt Ulrich Bremer. Die lange Dauer der Ermittlungen begründet er unter anderem damit, dass zunächst die verschütteten Archivalien geborgen werden mussten.

Die Beschuldigten stehen im Verdacht, den Einsturz des Archivgebäudes verursacht oder mitverursacht zu haben. Dabei geht es um Verantwortliche bei den Kölner Verkehrs-Betrieben (KVB) sowie Fachplaner, Gutachter und Mitarbeiter der am Bau beteiligten Firmen und ihrer Subunternehmer. Mitarbeiter der Stadt Köln sind laut Staatsanwaltschaft nicht darunter. "Die Ermittlungen sind sehr umfangreich", sagt Oberstaatsanwalt Ulrich Bremer. Insgesamt sei ein Datenvolumen von 7,5 Terabyte ausgewertet worden. Das entspricht rund 175 000 Büchern mit 350 Millionen DIN-A4-Seiten. Dafür ließen die Ermittler eine eigene Suchsoftware konzipieren. Zudem wurden Dutzende Zeugen vernommen.

Die Beweise aber schlummern in der Tiefe, etwa 20 bis 30 Meter unter dem Grundwasserspiegel. Zu diesem Zweck haben die Stadt Köln und die Kölner Verkehrs-Betriebe (KVB) in den vergangenen beiden Jahren eine Konstruktion errichtet, die sie "Besichtigungsbauwerk" nennen. Was harmlos klingt und an eine Aussichtsplattform denken lässt, ist ein Schacht, der es dem Gerichtsgutachter ermöglichen soll, die vermutete Schadstelle in Augenschein zu nehmen. Es wird damit gerechnet, dass im Spätsommer dieses Jahres die Bereiche, in denen die Experten die Einsturzursache vermuten, freigelegt sind und begutachtet werden können.

Die Ergebnisse dieser Beweissicherung im Sommer, an der auch Taucher beteiligt werden sollen, will auch die Staatsanwaltschaft abwarten. "Wir erhoffen uns davon Erkenntnisse zum genauen Hergang und der Ursache des Einsturzes", erklärte Ulrich Bremer. Bislang gebe es zwei Theorien: Die eine geht von einem "hydraulischen Grundbruch" aus, durch den die Erdmassen absackten. Die andere stützt sich auf den "Bruch einer Lamelle". Nur wenn die Ursache eindeutig bewiesen werden kann und wenn sie auf konkretes Fehlverhalten zurückgeht, können Schadenersatzansprüche durchgesetzt werden.

Spekulationen, wonach sich der frühere Geschäftsführer des für den U-Bahn-Bau verantwortlichen Firmenkonsortiums "ArGe Nord-Süd-Stadtbahn, Los Süd", Jürgen R., aufgrund der Ermittlungen das Leben genommen haben soll, wies Bremer zurück. "Wir haben keine Erkenntnisse darüber, dass der Suizid in Verbindung mit den Ermittlungen steht."

(RP)
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