Kölner Landgericht „Ich schäme mich für diesen Staat“ – Richter entschuldigt sich bei Angeklagtem

Köln · Beim Christopher Street Day 2016 in Köln soll ein 27-Jähriger Widerstand gegen Polizisten geleistet haben. Nach einem denkwürdigen Verfahren wollte sich der Richter beim Angeklagten entschuldigen und sagte: „Ich schäme mich für diesen Staat“.

 Der Eingang zum Kölner Landgericht. (Archiv)

Der Eingang zum Kölner Landgericht. (Archiv)

Foto: dpa/Marius Becker

Ein Aufsehen erregendes Verfahren ist am Freitag am Kölner Landgericht zu Ende gegangen: Angeklagt war der Mann wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte, falscher Verdächtigung und Beleidigung. Es ging um einen Vorfall nach dem Christopher Street Day am 3. Juli 2016 in Köln. Der Freispruch W.s aus dem vergangenen Mai wurde aufrechterhalten, die Berufung der Staatsanwaltschaft verworfen. Stattdessen machte der Vorsitzende Richter den beteiligten Polizisten schwere Vorwürfe.

Die Staatsanwaltschaft hatte W. vorgeworfen, sich am Nachmittag des 3. Juli 2016 im Toilettenvorraum eines Schnellrestaurants am Kölner Hauptbahnhof so aggressiv verhalten zu haben, dass er von Polizisten unter Anwendung eines Schlags ins Gesicht sowie Hand- und Fußfesseln in Gewahrsam genommen werden musste. Dabei habe er sich massiv gewehrt, die Polizisten getreten und beleidigt. W. wiederum bestritt alle Vorwürfe – und warf insbesondere zwei beteiligten Polizeibeamten Körperverletzung im Amt vor. Diese hätten ihn geschlagen, getreten und beleidigt. Gegen seinen Willen sei zudem im Gewahrsam eine Blutprobe genommen worden, schließlich sei er nachts beinahe unbekleidet aus dem Revier geworfen worden.

Diesen Vorwürfen folgte nun der Vorsitzende Richter, Thomas Quast, in weiten Teilen. An den vier Verhandlungstagen mit mehr als 20 Zeugenaussagen hätte sich gezeigt, dass vielmehr von mehrfach rechtswidrigem Verhalten der beteiligten Polizeibeamten ausgegangen werden könne. Von Körperverletzung und Freiheitsberaubung sprach der Richter, sagte wörtlich: „Ich schäme mich für diesen Staat“ und entschuldigte sich beim Angeklagten.

Für die Polizisten könnte das Verfahren Folgen haben: Unmittelbar nach dem Urteil informierte das Landgericht Köln dem Kölner Stadt-Anzeiger zufolge das Oberlandesgericht und das Justizministerium. Demnach laufen in der Sache bereits wieder Ermittlungen gegen mehrere Polizeibeamte. Zuvor waren diese nach Auskunft der Staatsanwaltschaft „mangels hinreichenden Tatverdachts“ eingestellt worden.

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