Prozess-Auftakt in Köln Applaus für mutmaßliche Hells Angels bei Gericht

Köln · Acht mutmaßliche Hells-Angels-Mitglieder müssen sich seit Montag vor dem Kölner Landgericht verantworten. Es ist der zweite große Rocker-Prozess innerhalb weniger Tage. Die Sicherheitsvorkehrungen sind strikt.

Zweiter Hells-Angels-Prozess beginnt in Köln
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Mit finsterer Miene betritt Serkan A. den hoch gesicherten und bewachten Saal 210 des Kölner Landgerichts. Dann hellt sich das Gesicht des 33-Jährigen auf: Hinten im Zuschauerraum winken ihm hinter einer Scheibe seine Verlobte und seine Mutter wild zu, es fließen jede Menge Tränen. Serkan A., der Kopf kahl rasiert, Tätowierungen bis hoch in den Nacken, wirft Kusshände in ihre Richtung, nimmt dann zwischen seinen Verteidigern Platz — und sein Gesichtsausdruck versteinert sich wieder.

Serkan A. ist Hauptangeklagter im zweiten großen Hells-Angels-Verfahren in Köln. Es geht um versuchten Mord, schwere Körperverletzung, Schutzgelderpressung, Drogengeschäfte. Das erste Verfahren startete in der vergangenen Woche mit acht Angeklagten, auch in diesem Prozess sitzen acht Beschuldigte auf der Anklagebank, sie haben je zwei Verteidiger. Als die Angeklagten, die zwischen 22 und 33 Jahre alt sind, nach und nach von den Justizbeamten in den Saal geführt werden, applaudieren die Zuschauer zeitweise. Sie alle mussten sich durchsuchen und abtasten lassen, bevor sie in den Gerichtssaal durften. Das Gericht hat auch für diesen Prozess ein Kuttenverbot verhängt.

Die Vorsitzende Richterin Ulrike Grave-Herkenrath begrüßt jeden der Angeklagten freundlich. Einer hat gerade im Gefängnis geheiratet, sie sitzen alle seit mehr als einem Jahr in Untersuchungshaft. Staatsanwältin Stephanie Kerkering muss Trinkpausen einlegen, während sie die Anklage verliest, es ist viel Lesestoff.

Ein weiterer mutmaßlicher Haupttäter fehlt: Serkan A.s jüngerer Bruder soll sich in die Türkei abgesetzt haben. Die Anklage geht davon aus, dass der 30-jährige Präsident des Kölner Charters "C-Town" der Hells Angels war und Serkan A. die kriminellen Geschäfte dann übernommen hat. Der Exil-Präsident soll von seinen Kumpels regelmäßig mit hohen Summen versorgt worden sein. Er soll im November 2015 an einer Schießerei in einer Nippeser Kneipe beteiligt gewesen sein, die offiziell geschlossen war. Ein Mann überlebte seine schweren Verletzungen nicht.

Alle acht Angeklagten sollen Teil der "kriminellen Vereinigung" gewesen sein, die die Kölner Südstadt als ihr Revier betrachtet haben soll. Dieses Revier sollen die Hells-Angels-Mitglieder nach Auffassung der Anklage rigoros verteidigt haben gegen konkurrierende Clans — es wurde auf Autos geschossen, aber auch auf Häuserfassaden, in Bars, Menschen wurden bedroht, verprügelt, angeschossen.

Laut Anklage ging es auch um Schutzgeld-Erpressung. Als der Wirt eines Clubs die Zahlung von bis zu 2000 Euro pro Monat einschlafen ließ, standen die Rocker in seinem Laden, drohten: "Wir wollen 20 Prozent deiner Monatseinnahmen, sonst machen wir die Hütte platt."

Dem Wirt einer Shisha-Bar sollen die Rocker zu Hilfe gekommen sein, nachdem einige Gäste nach der Übertragung eines Fußballspiels, bei dem ihr Verein verloren hatte, sich geweigert hatten, die Rechnung zu bezahlen. Zwei Hells-Angels-Mitglieder sollen auf einen Gast eingeschlagen haben.

Am 17. Juni 2015 sollen die Angeklagten und bis zu 15 weitere Männer in einem Kiosk an der Hochhaussiedlung Kölnberg auf zwei Brüder und ihre Mutter geschossen haben. Der Kiosk soll Drogenumschlagsplatz gewesen sein, es ging offenbar um die Vorherrschaft. Die Frau und ihre Söhne wurden lebensgefährlich verletzt. Serkan A. soll den Überfall angeführt, die Opfer auch mit einem Messer angegriffen haben.

Die Verlesung der Anklage dauert am ersten Prozesstag fast eine Dreiviertelstunde. Dann geht alles ganz schnell, denn keiner der Angeklagten ist bereit, sich zu den Vorwürfen zu äußern.

Der Prozess wird die 4. Große Strafkammer das ganze Jahr beschäftigen. Ein Urteil wird frühestens am 21. Dezember erwartet. Mehr als 60 Verhandlungstage sind angesetzt mit 149 Zeugen und vier Sachverständigen.

Fortsetzung am kommenden Mittwoch.

(hsr)
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