OVG-Urteil zum Partylärm im Belgischen Viertel Dieser Rüffel für Köln geht in Ordnung
Meinung | Köln · Der Lärm in der beliebten Partymeile Mitten in Köln ist zu viel für die Anwohner. Was das klare Urteil aus Münster jetzt für die Feiergemeinde bedeutet.
Das Belgische Viertel zwischen Brüsseler Platz und Antwerpener Straße ist als die wichtigste Kölner Partymeile inzwischen europaweit bekannt. Für Reiseführer ist sie Ausweis der feierfreudigen rheinischen Metropole. Im Internetauftritt der Stadt wird die Lokalität als Szenetreff der besonderen Art gerühmt. Damit könnte bald Schluss sein. Denn das Oberverwaltungsgericht Münster hat den Klagen verschiedener Anwohner letztinstanzlich Recht gegeben, die auf Einhalten der Lärmschutzvorschriften in der Zeit von 22 bis sechs Uhr geklagt hatten. Und zwar ziemlich klar: Die Vorsitzende des achten Senats, Annette Kleinschnittger, nannte den Lärm gesundheitsgefährdend. Die Stadtverwaltung habe zehn Jahre nichts getan. Und nicht nur das: Sie habe die unschönen Begleitumstände der Dauerfeiern mit Wildpinkeln, Sachbeschädigung, Müll und Gegröle bis weit nach Mitternacht sogar noch verharmlost.
Härter hätte es für die auch an anderer Stelle oft kritisierte Stadtverwaltung nicht ausfallen können. Und zwar zu Recht. Wer im Viertel wohnt, kann oft und gerade im Sommer Nächte lang seine Augen kaum zumachen, Menschen mit empfindlichen Nerven macht der Lärm gereizt, ja oft richtig krank. Den Müll und Gestank müssen die Anwohner täglich ertragen, wenn die Touristen und Gäste aus anderen Stadtteilen schon längst wieder zu Hause sind.
Man mag einwenden, dass Spielverderber, denen jeder Spaß zu viel ist, eben woanders hinziehen sollen. Aber das ist nicht so einfach. Wer in Köln seine Adresse wechseln will, zahlt oft das Doppelte bis Dreifache seiner bisherigen Miete. Viele Bewohner der Domstadt sind sehr bodenständig. Auch im Belgischen Viertel wohnen neben Hipstern und Lebenskünstlern auch Handwerker, Versicherungsangestellte oder Krankenschwestern, die jeden Morgen früh zur Arbeit müssen. Köln ist eben eine sehr diverse Stadt, in der auch ganz normale Leute in Szenevierteln wie diesem oder Ehrenfeld und der Südstadt wohnen.
Trotzdem tut sich mit dem Urteil auch ein Problem auf. Denn unsere Städte litten früher an dem Image, das ab acht Uhr abends oft nicht mehr viel los ist. Mit den wärmeren Sommern, der neuen Lebensart im Freien, vielen Straßenrestaurants und jungen Leuten ist das anders geworden. Der Flair des Südens hat seinen Einzug nach Deutschland, aber auch in die Nachbarländer Dänemark, Belgien oder Niederlande gehalten. Und diese Lebensart wollen viele natürlich nicht missen. Düsseldorf hat seine Partymeile in der Altstadt oder am Medienhafen, wo wenige Menschen wohnen. Aber diesen Treffs hängt auch immer etwas Künstliches an. Es sind reine Vergnügungsviertel – ohne echtes Leben.
Es wird also spannend sein, wie die Kölner Stadtverwaltung das Problem löst. Ein Zaun um das Belgische Viertel kann es wohl kaum sein, wie es jetzt einige vorschlagen. Auch hohe Präsenz der städtischen Ordnungshüter würde die Partygänger eher in andere Viertel vertreiben, wo dann die gleichen Probleme aufträten. Aufklärung könnte helfen, Appelle an die Rücksicht – mit der Androhung von Konsequenzen bei Nichtbeachten. Auch an eine Auflösung allzu lauter Partys nach 22 Uhr ist zu denken. Damit käme man dem Ruhebedürfnis der Anwohnerinnen und Anwohner nahe. Denn ein bisschen müssen auch sie akzeptieren, dass es mitten in der Stadt nie ganz ruhig sein kann wie auf dem Lande. Und sie können auch erst einmal aufatmen. Denn nach dem heißen Sommer dürfte der kommende Winter die Menschen eher wieder in die Kneipen und Restaurants treiben.