Razzia gegen Schwarzarbeit So soll der Betrug mit Scheinfirmen in NRW funktioniert haben

Düsseldorf · Mit 1100 Beamten ist die Generalzolldirektion in 31 NRW-Städten gegen südosteuropäische Banden vorgegangen. Die Beschuldigten sollen den Fiskus mit Scheinfirmen um mindestens 35 Millionen Euro betrogen haben.

Bei einer der größten Razzien gegen bandenmäßige Schwarzarbeit in der Geschichte Nordrhein-Westfalens sind am Dienstag acht Verdächtige verhaftet worden. Mit einem Großaufgebot von mehr als 1100 Beamten durchsuchte die Generalzolldirektion im Auftrag der Staatsanwaltschaft Wuppertal 140 Wohnungen und Geschäftsräume in 31 NRW-Städten - unter anderem in Duisburg, Düsseldorf, Moers, Monheim, Mönchengladbach und Leverkusen.

Razzia in NRW gegen organisierte Schwarzarbeit
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Großrazzia in NRW gegen organisierte Schwarzarbeit

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Foto: Christoph Reichwein

Ein Schwerpunkt der Razzia, die um sechs Uhr morgens begann, lag in Erkrath, wo die Fahnder in einem Hochhaus zwei Personen abführten. Unterstützt wurden die Ermittler des Zolls von Spezialeinsatzkräften (SEK) und der Bundesspezialeinheit GSG 9. "Deren Einsatz war nötig, weil wegen der acht Hauptbeschuldigten eine besondere Gefährdungslage vorlag", sagte Armin Rolfink, Präsident der Generalzolldirektion.

Millionen-Schaden für den Fiskus

Den Tätern, bei denen es sich zum überwiegenden Teil um Südosteuropäer handelt, wird vorgeworfen, über ein Scheinfirmengeflecht im Baugewerbe sogenannte Schein- und Abdeckrechnungen von rund 48 Millionen Euro für Hunderte Bauunternehmen in NRW erstellt zu haben. Der bisher ermittelte Gesamtschaden für den Fiskus beläuft sich auf mindestens 35 Millionen Euro. "Das ist der bislang größte Schlag des Zolls gegen Schwarzarbeit in NRW", betonte Rolfink. Für den Fall einer Verurteilung drohen den Tatverdächtigen Freiheitsstrafen bis zu zehn Jahren.

Die Staatsanwaltschaft war der Bande seit März 2016 auf der Spur. Nach Angaben des Sprechers der ermittelnden Sonderkommission "Moses", Heinz Michael Horst, hätten die Haupttäter zunächst eine Scheinfirma durch einen Strohmann gegründet. Dieser erledigte alle Behördengänge und sorgte dafür, dass die Firma wie ein legales Unternehmen wirkte.

Anschließend gründete der Strohmann Geschäftskonten bei einer Bank mit Vollmachten für die Hauptbeschuldigten. Die Scheinfirma stellte dann fiktive Rechnungen über Aufträge an reale Unternehmen für Bauleistungen, die in der Regel nie erbracht wurden. "So soll eine dieser Servicefirmen innerhalb kürzester Zeit hohe Umsätze erwirtschaftet haben", erklärte Horst.

Diese Umsätzen sollen in bar von den Konten abgehoben und dann an die als "Rechnungskäufer" bezeichneten Unternehmen zurückgegeben worden sein. "Für diesen kriminellen Service sollen die Haupttäter eine Provision zwischen fünf und zehn Prozent kassiert haben", sagte Horst. Danach seien die "Servicefirmen" geschlossen worden.

Bislang konnten 14 solcher "Servicefirmen" und 28 Strohmänner ermittelt werden. Zudem identifizierten die Fahnder 450 "Rechnungskäufer". Bei den Durchsuchungen stellte der Zoll mehr als 330.000 Euro Bargeld, zahlreiche Autos und Waffen (Armbrüste, Messer und Pistolen) sicher.

"Der Staat hat Abschreckung erzeugt"

NRW-Gesundheitsminister Karl-Josef Laumann (CDU) sagte unserer Redaktion: "Es ist gut, dass die Behörden konsequent gegen die organisierte Schwarzarbeit vorgehen." Der Schaden, den illegale Beschäftigung verursache, sei immens. "Alleine in NRW hat die Finanzkontrolle Schwarzarbeit der Zollverwaltung (FKS) für das erste Halbjahr 2017 eine Schadenssumme von mehr als 100 Millionen Euro festgestellt", sagte Laumann. Das Geld fehle etwa für die Finanzierung von Kitas und Schulen. Laumann: "Außerdem darf keiner auf dem Rücken der Beschäftigten und der ehrlichen Konkurrenz seine Geschäfte machen." Es gelte, auch Betriebe zu schützen, die für saubere Arbeit stünden.

Die groß angelegte Razzia könnte eine abschreckende Wirkung haben. Das sagt der Wissenschaftler Dominik Enste. "Der Staat hat sehr sichtbar agiert und Abschreckung erzeugt."

(tor, csh)
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