Tod eines Obdachlosen in Köln "Ich hab Scheiße gebaut, ich hab jemanden abgestochen"

Köln · Zwei Tage nach dem gewaltsamen Tod eines Obdachlosen in Köln sucht die Polizei weiter nach Menschen, die Kontakt zu ihm hatten. Rund um den Kölner Hauptbahnhof gibt es bei denjenigen, die ebenfalls kein Zuhause haben, derzeit kein anderes Thema.

 In dieser Unterführung in Köln starb der Obdachlose.

In dieser Unterführung in Köln starb der Obdachlose.

Foto: Claudia Hauser

"Ich habe auf demselben Schlafplatz geschlafen wie er, unter der Hohenzollernbrücke, zwei Jahre lang — es ist nie etwas passiert", sagt etwa Miglitta. Der 31-Jährige sagt, er kannte den Toten, den hier alle Alex nannten. "Er war noch nicht so lange hier, vielleicht ein Jahr." Aus Berlin sei er gekommen, nachdem er alles verloren hätte, seine Frau und die Kinder, ein Punk sei er gewesen. Die Polizei bestätigt, dass der 29-Jährige relativ neu im Kölner Obdachlosenmilieu war, und sucht seit Montag nach Personen, die ihn kannten und vor allem etwas über seinen letzten Tag sagen konnten, ihn am Samstag gesehen haben.

Jemand hat "Alex" angezündet - alles weitere ist unklar

In der Nacht zu Sonntag entdeckten Beamte einer Einsatzhundertschaft ein Feuer in einem Nebengang des Rheinufertunnels, in der Unterführung am Frankenplatz. Sie fanden einen Obdachlosen, dessen Kleidung in Flammen stand. Ein Notarzt konnte dem 29-Jährigen nicht mehr helfen. Nach der Obduktion stand bereits am Sonntag fest: Das war kein Unfall, der Mann wurde getötet. Die Polizei bildete eine Mordkommission. Zu den Obduktionsergebnissen machten die Ermittler am Montag zunächst keine Angaben. Ob der Mann zuerst getötet wurde und der Täter ihn dann anzündete, oder ob der Mann durch die Flammen starb, ist weiter unklar.

Dieses Foto von "Alex" gab die Polizei heraus. Wer hat am Samstag mit ihm gesprochen?

Dieses Foto von "Alex" gab die Polizei heraus. Wer hat am Samstag mit ihm gesprochen?

Foto: Polizei Köln

Viele Obdachlose haben Angst, weil der Täter noch frei herumläuft

Andy (30) und Frankie (59) sagen, sie wissen, wie es passiert ist. Die beiden stehen noch deutlich unter dem Eindruck des Geschehens, wollen nicht glauben, was passiert ist. Sie sitzen vor dem Hauptbahnhof auf Isomatten und trinken Wodka. In der Nacht auf Sonntag sei ein Pärchen in den Bahnhof gelaufen, auch sie sollen zur Obdachlosen-Szene gehören. "Der Typ meinte: Ich hab Scheiße gebaut, ich hab jemanden abgestochen."

An den Schuhen der Frau habe Blut geklebt. Es habe einen Streit gegeben mit dem späteren Opfer, um die Frau sei es gegangen, will Andy wissen. Daraufhin sei der Täter ausgerastet. Die Geschichte wird auch von einigen anderen erzählt, ob sie wahr ist, werden die Ermittlungen zeigen. Andy und Frankie haben alles der Polizei erzählt, wie sie sagen. Sie haben kein gutes Gefühl, solange der Täter nicht gefasst ist.

Ein anderer Mann sagt: "Es wird immer schlimmer, neulich haben ein paar Jugendliche einen von uns zusammengetreten, einfach, weil sie mal wissen wollten, wie das ist." Auch sei es an der Tagesordnung, dass man bestohlen werde, wenn man draußen schlafe, irgendwo in einem Geschäftseingang oder unter einer Brücke.

Trauer, Bestürzung und Irritation unter den Obdachlosen

Bernd Mombauer, Geschäftsführer der "Überlebensstation Gulliver" am Kölner Hauptbahnhof, sagt: "Es werden im Moment jede Menge Gerüchte kolportiert. Daran beteiligen wir uns nicht. Wir wollen die Ermittlungen abwarten." Bei Gulliver können Obdachlose schlafen, essen und duschen. Die Station ist ganz in der Nähe des Tatorts.

"Unter den Mitarbeitern und Obdachlosen herrscht große Trauer, Bestürzung und Irritation", sagt Mombauer. Ob er den Toten kannte, möchte er nicht sagen.

Am Nachmittag informiert die Stadt in einer Pressekonferenz über Wohnungsangebote für Obdachlose. Es ist einer der Vorwürfe, der sehr schnell laut wurde am Montag: Dass es zu wenig Schlafplätze gibt. Miglitta, der Obdachlose am Hauptbahnhof, sagt: "Ist doch klar, oder? Wenn Alex eine Wohnung gehabt hätte, wäre das nicht passiert."

(hsr)
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