Islamischer Verein Frühere Verantwortliche von Milli Görüs wegen Betrugs vor Gericht

Köln · Gegen drei frühere Verantwortliche und zwei Mitarbeiter des Islamverbands Milli Görüs hat ein umfangreicher Prozess wegen Betrugs und Steuerhinterziehung begonnen. Sie sollen Vereinsmitglieder um insgesamt mehr als elf Millionen Euro betrogen haben.

 Ehemalige Funktionäre und Mitarbeiter des Islamverbandes Milli Görüs sitzen im Landgericht in Köln neben ihren Anwälten auf der Anklagebank.

Ehemalige Funktionäre und Mitarbeiter des Islamverbandes Milli Görüs sitzen im Landgericht in Köln neben ihren Anwälten auf der Anklagebank.

Foto: dpa, obe fdt

Es ist ein aufwendiger Prozess, der am Montag vor dem Kölner Landgericht begonnen hat. Auf der Anklagebank in Saal 112 sitzen drei Ex-Funktionäre der Islamischen Gemeinschaft Milli Görüs (IGMG), ein Buchhalter und der Vorsitzende der Zentralbuchhaltung. Die Staatsanwaltschaft wirft den Männern, die zwischen 48 und 70 Jahre alt sind, Betrug und Steuerhinterziehung vor — in Millionenhöhe.

Vorname, Nachname, Bankinstitut, Ort — in der Reihenfolge liest der Staatsanwalt die Liste der Spender vor, die betrogen worden sein sollen. Über Stunden geht das so. Es sind Muslime aus der ganzen Bundesrepublik, Tausende haben je 100 Euro an den Islamverband Milli Görüs überwiesen. Diejenigen, die direkt beim Verein gespendet haben, tauchen in der Auflistung gar nicht auf. Es geht aber um etwa 63.000 mutmaßliche Betrugsopfer.

Die Muslime spendeten die 100 Euro in der Annahme, das Geld werde vom Verband für das Kurbanopfer verwendet. Milli Görüs hatte den Spendern zugesagt, mit dem Geld das Schlachten von Opfertieren in Ländern zu organisieren, in denen "notdürftige Muslime leben", so heißt es in der Anklage — ganz im Sinne des Opferfestes, an dem Gläubige ein Tier schlachten und das Fleisch an diejenigen verteilen sollen, die nichts haben.

Doch vier der Angeklagten sollen zwischen 2004 und 2009 je 25 Prozent der Spenden an den Landesverband abgeführt und damit unter anderem allgemeine Kosten gedeckt — und nicht etwa für den Kauf von Opfertieren und die Organisation der Schlachtung in anderen Ländern verwendet haben. Es geht um mehr als elf Millionen Euro. Ein großer Teil des Geldes soll an den Gründer der Milli-Görüs-Bewegung, Necmettin Erbakan, in die Türkei geflossen sein.

In einem weiteren Komplex des Verfahrens geht es um Steuern in Höhe von mehr als fünf Millionen Euro, die die Angeklagten zwischen 2004 und 2008 hinterzogen haben sollen. So sollen dem Finanzamt Einnahmen verschwiegen oder zu niedrig angegeben worden sein, die aus dem Verkauf von Gebetskalendern und der Organisation von Pilgerreisen nach Mekka oder Medina stammten.

Die Angeklagten haben am ersten Prozesstag geschwiegen — und werden dies wohl auch im weiteren Verlauf des Verfahrens tun, wie Rechtsanwalt Frank Hatlé sagte. Rechtsanwalt Mustafa Kaplan, der den ehemaligen Vorstandsvorsitzenden des Verbands vertritt, kritisierte nach der Verlesung der Anklage am frühen Abend die Übersetzungsqualität dieser. Einige Teile seien nicht korrekt übersetzt worden. Die Kammer wird bis zum nächsten Verhandlungstag in der kommenden Woche entscheiden, ob die Ankageschrift noch einmal neu übersetzt werden muss. Das könnte den ganzen Prozess gleich zu Beginn verzögern.

Der Verfassungsschutz hat Milli Görüs als islamistisch eingestuft, allerdings mit "schwächer werdendem Extremismusbezug", wie es im vergangenen Jahr hieß.

Es wird ein langer Prozess. 50 Verhandlungstage sind bis März 2018 angesetzt, es könnten sehr viel mehr werden — je nachdem, wie viele mutmaßlich betrogene Spender die Kammer als Zeugen laden will.

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