Köln Kölsche Gedichte über ein Stehaufmännchen

Köln · Mit 60 Jahren hat sich der Kölner Ulrich List neu erfunden. Er krempelte sein Leben komplett um. Fünf Jahre später begann er, die ersten Gedichte über Krummbüchel zu schreiben. Am 1. Oktober kommen sie in Buchform heraus.

Ein Bauarbeiter ist einer, der mit seinen Händen arbeitet. Sein Job ist hart, er kostet viel Schweiß und geht auf die Knochen. Aber ein Bauarbeiter ist auch einer, der sich durch buddelt. Einer wie Krummbüchel. Krummbüchel ist der Held einer Gedichtsammlung von Ulrich List, die am 1. Oktober in der "edition fredebold" erscheint. Auf 144 Seiten lässt List darin seinen entwaffnend ehrlichen Helden von sich und von der "Baustelle des Lebens" erzählen. Die ja bekanntlich nie fertig wird. Was Krummbüchel, der wie sein Schöpfer Kölner ist, nur zu genau weiß. Auf hochdeutsch, aber auch "op kölsch" sinniert Krummbüchel über seine Stadt. So wie sie heute ist und wie sie früher war. In "Ganz Kölle kapodd" werden Erinnerungen an die Zeit nach dem Krieg wach, als die Stadt in Trümmern lag, die Menschen selbst gestrickte Strümpfe aus kratziger Schafswolle trugen, und Mutters goldene Uhr für ein Pfund Butter auf dem Schwarzmarkt eingetauscht wurde. "Mit 60 Jahren hab´ ich mich neu erfunden", erzählt List. Damals krempelte er sein Leben komplett um. Aus dem ehemaligen Gärtnermeister mit eigenem Betrieb wurde ein Dichter und "Krätzchen"-Erzähler. "Nach fünf Jahren ist dann der Krummbüchel entstanden", sagt er, "Krummbüchel ist einer, der blauäugig ins Leben startet, und einen Schlag nach dem anderen mitkriegt, bis er ganz, ganz unten ist. Aber dann rappelt er sich wieder auf."

Er ist ein Stehaufmännchen. Einer, der sich nicht unterkriegen lässt. Dass es zwischen ihm und seiner Figur gewisse Parallelen gibt, bestreitet List nicht: "Ein bisschen was von mir steckt schon drin." Das betrifft nicht nur den weißen Bart, den beide tragen. Als der heute 75-jährige Dichter sein zweites Leben begann, lagen zwei gescheiterte Ehen hinter ihm. Auch um seine Gesundheit stand es nicht zum Besten. Ebenso wie Krummbüchel hat auch sein Erfinder eine Weile in Berlin gelebt und verbringt heute einen Teil des Lebens auf Mallorca. Auch die Balearen-Insel und die Hauptstadt tauchen als Streiflichter im Baustellen-Buch auf. Dazwischen sinniert Krummbüchel, der auf seine Art auch ein Philosoph ist, über Fremdenfeindlichkeit, über die, die lieber nur reden, anstatt etwas zu tun oder über die Angst vor dem Ungewissen, die im schlimmsten Fall dazu führt, dass man sich gar nicht mehr bewegt und vollkommen erstarrt. Auch dass der Kölner allzu schnell und zu gern schwarz sieht und darüber episch klagen kann, ist ihm nicht entgangen.

In "De Düxer Bröck" lässt er die Geschichte der Brücke von der Römerzeit bis in die Neuzeit hinein Revue passieren, in "Die Expertenrunde" macht er sich über die neunmalklugen Fachleute lustig, die über Dinge reden, von denen sie nicht die leiseste Ahnung haben, um auf diesem Wege Fakten zu schaffen, die dann niemand bezweifelt, und "Der Mixer" ist ein Plädoyer für mehr Zeit für die wirklich wichtigen Dinge im Leben. Neben Krummbüchel taucht eine zweite Figur auf: der Gänseblum Karl-Friedrich, ein männliches Gänseblümchen. Dessen Sicht auf die Natur, die Stadt und ihre Menschen eine ganz andere ist.

Ulrich List: Krummbüchel und die Baustelle des Lebens. edition fredebold, 144 Seiten, 11.90 Euro.

(RP)
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