Krise im Erzbistum Köln 30 Strafanzeigen gegen Kölner Bistumsleitung

Köln · Nach dem Prozess gegen den Missbrauchstäter Pfarrer Ue. werden Kardinal Woelki und anderen Verantwortlichen des Erzbistums mögliche strafbare Versäumnisse vorgeworfen. Die Prüfprozesse dürften nach Meinung von Beobachtern eine beträchtliche Zeit in Anspruch nehmen.

 Kardinal Rainer Maria Woelki vor wenigen Tagen im Kölner Dom.

Kardinal Rainer Maria Woelki vor wenigen Tagen im Kölner Dom.

Foto: dpa/Henning Kaiser

Auch nach der Verurteilung des vielfachen Missbrauchstäters Pfarrer Ue. durch das Landgericht Köln zieht der Fall weitere Kreise. So mehren sich die Strafanzeigen jetzt gegen die Leitung des Erzbistums. Mehr als 30 Anzeigen sollen es inzwischen sein, die nach Informationen des Kölner Stadtanzeigers bei der Staatsanwaltschaft eingegangen sind. Dabei geht es um mögliche strafbare Versäumnisse der Verantwortlichen sowohl bei der Sanktionierung als auch der Kontrolle des Täters, dem 110 Missbrauchsfälle zur Last gelegt wurden.

Bei den jetzt Angezeigten handelt es sich um Mitglieder der früheren sowie der heutigen Bistumsleitung: vor allem also um Kardinal Rainer Maria Woelki und seinen amtierenden Generalvikar Markus Hofmann, um dessen Amtsvorgänger Stefan Heße – den heutigen Erzbischof von Hamburg –, um Weihbischof Dominikus Schwaderlapp und den früheren Kirchengerichtsleiter Günter Assenmacher. Zunächst muss der Anfangsverdacht einer Pflichtverletzung noch geprüft werden.

Für Kardinal Woelki, der nach seiner geistlichen Auszeit vor vier Wochen wieder in sein Amt zurückgekehrt war, kommt dieser Vorgang zu einer unguten Zeit. So hatte er bei der Rückkehr nach Köln Papst Franziskus um seinen Rücktritt gebeten. Eine Stellungnahme dazu steht noch aus und dürfte nach römischen Gepflogenheiten so schnell auch nicht zu erwarten sein. Doch nimmt die zuständige römische Bischofskongregation die staatsanwaltliche Ermittlungen gegen amtierende Diözesanbischöfe und ihre engsten priesterlichen und bischöflichen Mitarbeiter sehr genau wahr, sagen Experten. Allerdings wartet sie in solchen Fällen solange ab, bis die Untersuchungen abgeschlossen sind. Zumal nicht jede staatsanwaltliche Ermittlung gleich zu einer Anklage führt. Sollte es dazu aber kommen, würden die Römer zudem erst nach einem rechtskräftigen Urteil auch kirchenrechtlich aktiv werden. Erst dann wären verschiedene Optionen denkbar, so der Münsteraner Kirchenrechtler Thomas Schüller gegenüber unserer Zeitung: Amtsverlust, disziplinarrechtliche Ahndung, ein monitum (eine Art Abmahnung), aber auch das Verbleiben im Amt.

Zunächst werden die Untersuchungen der Staatsanwaltschaft eine beträchtliche Zeit in Anspruch nehmen, da den gut 30 Anzeigen nachgegangen werden muss. „Die strafrechtliche Lage ist dabei sehr komplex und juristisch nicht einfach greifbar“, so Schüller. Zumal der Fall von Pfarrer Ue. schon in beiden Missbrauchsgutachten zum Erzbistum Gegenstand der Untersuchungen geworden ist. Im veröffentlichten Gutachten des Strafrechtlers Björn Gehrke wird Kardinal Woelki keine Verletzung seiner Amtspflicht attestiert. Mit dem Prozess gegen den katholischen Geistlichen Pfarrer Ue. ist allerdings auch eine neue Sachlage entstanden.

All diese staatsanwaltlichen Prüfprozesse werden nach Einschätzung von Thomas Schüller eine beträchtlich Zeit benötigen. Vor diesem Hintergrund dürfte ein Votum aus Rom zur Zukunft von Kardinal Woelki früher zu erwarten sein.

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