Urteil vor dem Kölner Landgericht 16-jähriger Syrer muss ins Gefängnis

Köln · Vor dem Kölner Landgericht ist am Montag das Urteil im Prozess gegen einen Jugendlichen gefallen, der sich in einem Kölner Flüchtlingsheim radikalisiert und einen Terroranschlag geplant haben soll. Er muss zwei Jahre in Haft.

 Ein Sondereinsatzkommando hatte den 16-Jährigen in dieser Kölner Unterkunft festgenommen.

Ein Sondereinsatzkommando hatte den 16-Jährigen in dieser Kölner Unterkunft festgenommen.

Foto: dpa, hka hjb

Letztlich war es wohl doch kein "Dummer-Jungen-Streich", wie die Mutter des Angeklagten nach seiner Festnahme gesagt hatte. Wegen der Vorbereitung einer schweren staatsgefährdenden Gewalttat muss der 16-Jährige zwei Jahre ins Gefängnis - so urteilte nun die 14. Große Strafkammer des Kölner Landgerichts. Während des Prozesses war der Jugendliche in einer psychiatrischen Einrichtung untergebracht. Das komplette Verfahren hatte unter Ausschluss der Öffentlichkeit stattgefunden.

Die Staatsanwaltschaft hatte in der vergangenen Woche zwei Jahre und drei Monate Haft gefordert. Die Verteidiger des Angeklagten hatten auf Freispruch plädiert. "Die ihm vorgeworfene Vorbereitungshandlung war nie eine ernsthafte Situation", sagte Rechtsanwalt Bernhard Scholz. Sein Mandant habe damit gerechnet, an diesem Montag frei zu kommen.

Vor der Urteilsverkündung warteten die Eltern des Jungen vor dem Saal. "Ich kenne meinen Sohn - er ist unschuldig", sagte der Vater. "Wir leiden alle sehr unter der Situation, schlafen kaum und durften ihn nur alle zwei Wochen für eine Stunde sehen." Seinen Sohn habe die Zeit in der Klinik wahnsinnig gestresst. Seit sieben Monaten ist er schon dort. Der 54-jährige Vater hätte ihn nun gerne mit nach Hause genommen. "Ich würde gerne mit meiner ganzen Familie weg gehen aus Deutschland, nach Kanada vielleicht."

Das Gericht sieht es als erwiesen an, dass der 16-Jährige Kontakt mit einem Chat-Partner mit Verbindungen zum Islamischen Staat (IS) hatte und von ihm konkrete Einkaufslisten und Anleitungen zum Bau einer Bombe erhalten hat. Bei einer Durchsuchung hatten die Ermittler unter anderem eine Gasflasche, Batterien und anderes Material sichergestellt, das für den Bau eines Sprengsatzes geeignet gewesen wäre. Der Vater des Jungen sagte, es seien Gebrauchsgegenstände gewesen. "Das Gas brauchte meine Frau zum Kochen, die Batterien waren für eine Lampe." Sie seien vor dem IS geflüchtet, deshalb seien die Vorwürfe völlig absurd.

Die Vorsitzende wies nach Angaben eines Gerichtssprechers in der Begründung des Urteils darauf hin, dass sich die Tat noch in einem sehr frühen Stadium befunden hatte. Den Kontakt zu potenziellen IS-Sympathisanten hat der Junge nach Überzeugung der Kammer vor allem deshalb gesucht, weil er sich nach der Flucht aus seiner Heimat einsam gefühlt habe. So habe sich der 16-Jährige fast ausschließlich mit seinem Handy beschäftigt, stundenlang gechattet. "Über diese Kontakte reifte in ihm ein islamistisch-dschihadistisches Weltbild", so das Gericht. Der Angeklagte hatte bis zuletzt gesagt, seine Äußerungen in den Chats seien nie ernst gemeint gewesen. Das Gericht glaubte ihm jedoch nicht.

Der Jugendliche war im Januar 2015 mit seinen Eltern und seiner jüngeren Schwester aus der syrischen Hauptstadt Damaskus nach Deutschland gekommen. Die Eltern hatten gute Stellungen als Akademiker in ihrem Heimatland, entschlossen sich aber, alles hinter sich zu lassen und vor dem Krieg in Syrien zu flüchten. Von Münster kam die Familie nach Dülmen und wurde schließlich am 1. April 2016 in Köln untergebracht, erst in Holweide, zuletzt in der Porzer Unterkunft, wo es schließlich zur Festnahme des Jungen kam.

Ermittler sagten nach der Festnahme, der Junge habe sich innerhalb kürzester Zeit radikalisiert. Aus einer Moschee, in der er jeden Tag Stunden verbrachte und von angeblichen Kontakten zum IS erzählt hatte, kam im vergangenen Jahr der entscheidende Hinweis. Eine Sozialarbeiterin hatte vorher auch schon die Polizei über ein sonderbares Verhalten des Jungen informiert. Er würde sich isolieren, sich komisch verhalten, niemanden an sich ran lassen und sei nachts ständig unterwegs.

Eine Auswertung seines Mobiltelefons offenbarte den Chat. Der Mann aus Israel forderte den Jungen darin wohl auf, Bomben herzustellen und "bei Euch" explodieren zu lassen.

Der 16-Jährige habe sich laut einem Bericht des Innenministeriums sehr interessiert gezeigt und gefragt, wie man Sprengkörper herstellen könne. Außerdem fragte er, ob er Personen töten dürfe, die selbst niemanden getötet hätten. Sein Chat-Partner bejahte dies und verwies auf die Legitimation des IS.

Die Eltern des Jungen hatten offenbar nichts von seinen Aktivitäten mitbekommen.

(hsr)
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