Fotoprojekt „Porta Westfalica“ Leben auf der Raststätte

Köln · Lkw-Fahrer wirken auf Raststätten wie eine Parallelgesellschaft. Die beiden Kölner Fotografen Patrick Essex und Olivia Schnepp sind seit Wochen auf Rasthöfen in NRW unterwegs, um sie für ein Kunstprojekt zu porträtieren. Die Bilder zeigen Menschen, die es sich trotz allem ein bisschen schön machen.

Köln: Patrick Essex fotografiert Lkw-Fahrer auf NRW-Rasthöfen
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Lastwagen-Fahrer auf Rasthöfen in NRW

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Foto: Patrick Essex

Sonntagnachmittag, Niehler Rheinufer in Köln. Stoßstange an Stoßstange stehen hier die 40-Tonner. Die Fahrer machen Rast und überbrücken das Lkw-Fahrverbot auf der Autobahn bis zum späten Abend. Unten auf den Wiesen blöken Schafe, einige Fahrer stehen zusammen und rauchen mit Blick auf den Fluss. „Ist schön hier“, sagt Ciacoschi Mihail. Der 40-jährige stammt aus Rumänien, drei Monate fährt er Fracht mit seinem Lkw, dann sieht er seine Frau und seine beiden kleinen Kinder für zwei Wochen. Während seiner Touren durch Westeuropa ist das Fahrerhaus sein Zuhause. „Geht nicht anders“, sagt er.

Sein Lastwagen steht nachts in Gewerbegebieten und auf Autobahnraststätten. Und manchmal auch an einem vergleichsweise schönen Ort wie hier am Rheinufer. Wenn man so viel unterwegs ist wie Mihail, lernt man die besten Plätze für einen Stopp kennen. „Langweilig ist es trotzdem“, sagt er und zuckt mit den Schultern. Die Kölner Innenstadt ist fast sechs Kilometer entfernt, zu weit weg. „Ich kann den Truck nicht so lang allein lassen“, sagt er. Also bleibt er und wartet, schaut den Schafen beim Grasen zu und schläft immer wieder eine Weile.

Trucker wie Ciacoschi Mihail sind es, die der Kölner Fotograf Patrick Essex für sein Kunstprojekt „Porta Westfalica“ fotografiert. Mit seiner Kollegin Olivia Schnepp ist der 48-Jährige seit vier Wochen in einem Campingbus auf Rastplätzen und Autohöfen in Nordrhein-Westfalen unterwegs, fast immer an Autobahnen – Eifeltor, Autohof Frechen, Nievenheim Ost oder eben Porta Westfalica. Es sind trostlose Durchgangsorte, an denen Lkw-Fahrer weit weg von ihren Familien viel Zeit verbringen müssen. Vor allem zwischen Samstagnacht und Sonntagabend, 22 Uhr, dann fahren sie zurück auf die Autobahnen.

„Man nimmt die Fahrer auf den Rasthöfen immer wie eine anonyme Parallelgesellschaft wahr“, sagt Essex. „Ihr Ruf ist nicht besonders gut.“ Olivia Schnepp sagt: „Wir wollten mal schauen, wer die Fahrer sind und wie sie auf den Rastplätzen leben.“ Anfangs hatte die 41-Jährige Hemmungen, die Männer oben in ihren Kabinen anzusprechen. „Aber alle sind freundlich und hochanständig.“ Kaum einer sagt nein, wenn die beiden von ihrem Projekt erzählen und die Fahrer bitten, sie fotografieren zu dürfen – meist wird mit Händen, Füßen und mit Hilfe des Google Übersetzers kommuniziert, fast alle Trucker sind Rumänen, Tschechen, Ungarn oder Polen.

Geld für die Familien zu Hause

Die Fotos zeigen die Fahrer beim Suppe kochen auf der Ladefläche, in ihren Kabinen, einer fährt immer mit seiner Frau, ein anderer nimmt heimlich seinen Vater mit, die Chefs dürfen das nicht wissen. Wenn die Speditionen den Fahrern Spesen bezahlen, sparen die das Geld meistens für die Familien – und versuchen auch sonst, sich möglichst günstig und eigenständig zu versorgen. Da hängen Zwiebelnetze an der Zierleiste, T-Shirts baumeln zum Trocknen an den Scheibenwischern, Hausschuhe stehen vor den Schlafkabinen. „Eine Gruppe von Fahrern hatte sich aus Paletten einen Tisch gebaut, da wurde dann morgens gefuttert und gequatscht“, sagt Schnepp. „Manche legen Wert darauf, dass es bei aller Tristesse zumindest ein bisschen schön ist. Einer hatte sogar eine Blümchentischdecke.“

Die prekären Arbeitsbedingungen der Lastwagenfahrer aus Osteuropa sind immer wieder Thema. Die Speditionen, für die sie arbeiten, sind aus Belgien, den Niederlanden und Deutschland – mit Niederlassungen in Rumänien oder Tschechien. So können sie die westeuropäischen Standards und Löhne umgehen. Sie bezahlen den Fahrern dann den Lohn von wenigen hundert Euro, der in ihrem Heimatland üblich ist. Verwahrlosung und Alkoholismus sind manchmal die Folgen des Sozialdumpings. „Klar, wir haben in den letzten Wochen auf den Rastplätzen auch mal mittags einen Whisky angeboten bekommen“, sagt Essex. „Das waren dann aber auch Fahrer, die sich eher nicht fotografieren lassen wollten.“ Es ist auch nicht verboten, dass die Fahrer in ihrer Freizeit trinken – gefährlich kann es nur werden, wenn sie sich mit größeren Mengen Restalkohol im Blut am Sonntagabend hinters Steuer setzen.

Essex und Schnepp werden auch am kommenden Wochenende wieder mit ihrem Campingbus auf NRWs Raststätten unterwegs sein. Für den Herbst ist eine Ausstellung mit den besten Bildern geplant.

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