Prozess in Köln Polizist verletzt 57-Jährigen bei Verkehrskontrolle - und das Opfer muss vor Gericht
Köln · Ein Mann gerät in Köln mit seinem Roller in eine Polizeikontrolle und wird von einem Polizisten zu Boden gebracht und verletzt. Wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte muss er vor Gericht - doch die Richterin glaubt dem Polizeibeamten nicht und spricht den Rollerfahrer frei.
Karim H. (Name geändert) hat nicht daran gedacht, seine Papiere mitzunehmen, als er im Januar dieses Jahres mit dem Roller im Kölner Stadtteil Porz zum Supermarkt fuhr. Auf dem kurzen Weg geriet der 57-Jährige aber in eine allgemeine Verkehrskontrolle. Ein Polizeibeamter (25) und seine gleichaltrige Kollegin baten H. um seine Papiere - H. sagte den Polizisten, dass er nur drei Minuten entfernt wohne und seine Frau eben bitten würde, sie ihm zu bringen.
Keine Viertelstunde später saß H. weinend im Polizei-Bulli, mit blauen Flecken, Schürfwunden und einer kaputten Brille. Und vor dem Kölner Amtsgericht musste er sich nun wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte verantworten. Was ist passiert?
Der Polizist wollte an jenem Januarabend nicht warten, bis die Ehefrau mit den Papieren kam und H. stattdessen durchsuchen, "um dessen Identität festzustellen", wie es vor Gericht hieß. H. soll gefragt haben: "Was wollen Sie eigentlich?", da brachte der Beamte ihn mit einem "Kieferkontrollgriff" zu Boden, fixierte und fesselte ihn. Weil H. versucht habe ihn wegzustoßen, sagt der Beamte. Versehentlich und im Dunkeln sei er dabei auf H.s Brille getreten. H. sagt, es sei volle Absicht gewesen.
Staatsanwaltschaft stellte Verfahren gegen Polizisten ein
Vor Gericht behauptete der Polizist, H. habe nicht telefoniert. Er habe also nicht gewusst, dass jemand mit den Papieren komme. Die Ehefrau konnte das allerdings widerlegen, da sie einen schriftlichen Nachweis des einminütigen Gesprächs mit ihrem Mann von der Telefongesellschaft hatte. Auch die Polizeibeamtin, die bei der Kontrolle dabei war, sagte dem Gericht, sie habe gesehen, dass H. telefoniert habe.
H.s Frau, eine Ärztin, dokumentierte sämtliche Verletzungen ihres Mannes und zeigte den Beamten wegen Körperverletzung im Amt an. Die Staatsanwaltschaft stellte das Verfahren aber ein, der Beamte habe das Geschehen "eklatant anders dargestellt" hieß es. Für Rechtsanwalt Abdou Gabbar, der H. vertritt, bedeutet das: "Einem Polizeizeugen wird mehr Glauben geschenkt als einem anderen Zeugen - ganz nach dem Motto: Was nicht sein darf, das nicht sein kann."
Vor Gericht wurde H. frei gesprochen. Die Richterin zweifelte an der Glaubwürdigkeit des Polizisten. Außerdem sei es zumutbar gewesen, fünf bis zehn Minuten darauf zu warten, dass jemand H. die Papiere bringe - ohne ihn zu durchsuchen. Anwalt Gabbar denkt nun mit seinem Mandanten darüber nach, ob er Strafanzeige wegen uneidlicher Falschaussage gegen den Beamten stellt.