Köln Mehr als 6000 Teilnehmer bei Kurden-Demo

Köln · In Köln demonstrieren am Samstag Tausende Kurden gegen Präsident Erdogan. Sie fühlen sich von Kanzlerin Merkel im Stich gelassen. Dabei müsse es den Deutschen doch bekannt vorkommen, wenn jemand stückchenweise die Demokratie zerlege.

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Kurden demonstrieren in Köln

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Nein, sie sei keine Kurdin, sie sei Türkin, sagt die ältere Dame. Dazu gehört ein gewisser Mut, wenn man wie sie mitten unter wütenden jungen Kurden steht, die Fahnen mit dem Bild des PKK-Führers Abdullah Öcalan schwenken. "Ich wohne auch nicht in Deutschland", erzählt sie, "ich bin hier nur auf Verwandtschaftsbesuch. Ich wohne in der Türkei." An der Kölner Kurden-Demonstration nimmt sie am Samstag teil, weil sie ein Zeichen setzen will - ein Zeichen gegen Recep Tayyip Erdogan .

Hat sie keine Angst vor dem langen Arm des türkischen Präsidenten? "Erdogan will ja diese Angstatmosphäre schaffen", erwidert sie. "Aber wenn man etwas erreichen will, darf man sich nicht einschüchtern lassen."

Erdogan sei ein "Faschist", rufen die Demonstranten im Chor, und wenn man sie fragt, was sie damit meinen, antworten sie: Erdogan zerlege die Demokratie stückchenweise, um eine Diktatur zu errichten. Gerade den Deutschen müsse das doch bekannt vorkommen.

"Wir sind an der Schwelle eines Bürgerkriegs"

In einem langen Zug marschieren die Kurden am Kölner Dom vorbei, die Polizei schätzt ihre Zahl auf 6500. "Sultan Erdogan" steht auf ihren Plakaten oder "Stoppt die Erdogan-Diktatur". Eine Rednerin sagt: "Wir sind an der Schwelle eines Bürgerkriegs." Immer wieder kommt der Vorwurf, Kanzlerin Angela Merkel krieche vor Erdogan, weil er ihr die Flüchtlinge vom Hals halte. "Deutschland macht nichts", klagt Serhildan (23) aus Kassel. Sein Freund Sondmen (18) unterbricht ihn: "Schlimmer! Deutschland macht noch ein Geschäft dabei. Die verkaufen Erdogan ihre Panzer."

Die Demonstranten sind sicher: Wenn Erdogan könnte, würde er sie ins Gefängnis werfen. Und damit könnten sie sogar recht haben, denn organisiert wird die Kundgebung von Organisationen, die der verbotenen kurdischen Arbeiterpartei PKK nahestehen. Als die Kurden zum letzten Mal in großer Zahl in Köln auf die Straße gingen, Anfang September, warf ein Abgeordneter von Erdogans AKP der Bundesregierung vor, sie dulde damit die "Verhöhnung der Opfer" von PKK-Terroranschlägen.

"Es geht nicht um Türken und Kurden. Es geht um einen Diktator"

Im September war in Köln noch der Vorsitzende der pro-kurdischen Oppositionspartei HDP, Selahattin Demirtas, aufgetreten. In der Nacht zum Freitag wurde er in der Türkei festgenommen. Sie sei oft gefragt warum, warum Demirtas damals nicht in Deutschland geblieben sei, sagt Dersim Dagdeviren, Sprecherin des kurdischen Dachverbands Nav-Dem. "Er selbst hat dazu immer gesagt: "Es darf nicht die ganze Opposition ins Ausland abziehen.""

Vom Straßenrand aus sehen Passanten und Einkäufer der Demonstration zu. "Schon wieder!", stöhnt einer. Kurden und Türken haben dieses Jahr ziemlich oft in Köln demonstriert. "Aber", entgegnet der Iraner Foad (43), "es geht nicht um Kurden und Türken, es geht um einen Diktator, der Menschen unterdrückt. Wann merkt ihr das endlich?"

(dpa)
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