Veranstaltung in der Keupstraße Köln gedenkt der NSU-Opfer - Streit um Mahnmal

Köln · 2004 ließ die Terrorzelle NSU in der Kölner Keupstraße eine Nagelbombe hochgehen. 15 Jahre später sind kurz vor dem Jahrestag rechtsextremistische Drohbriefe in der Nachbarschaft aufgetaucht.

 Kölner erinnern am Pfingstmontag mit Plakaten auf der Kölner Keupstrasse an den NSU-Nagelbombenanschlag vor 15 Jahren.

Kölner erinnern am Pfingstmontag mit Plakaten auf der Kölner Keupstrasse an den NSU-Nagelbombenanschlag vor 15 Jahren.

Foto: dpa/Roberto Pfeil

Mit einer Gedenkminute haben am Sonntag mehrere Hundert Menschen in der Kölner Keupstraße der Opfer des Nagelbombenanschlags der Neonazi-Terrorzelle NSU vor 15 Jahren gedacht. Während der Schweigeminute wurden 15 weiße Tauben als Friedenssymbol aus einem Käfig frei gelassen und stiegen in den Himmel auf. Der Inhaber eines Cafés erinnerte an die Tat am 9. Juni 2004. „Es floss Blut aus meinen Ohren“, sagte er. „Erst dachten wir an eine Gasexplosion, aber dann sahen wir die Nägel.“ 22 Menschen wurden verletzt, vier davon schwer.

„Ich halte es für unerlässlich, dass wir immer wieder an dieses furchtbare Attentat erinnern“, sagte Bürgermeisterin Elfi Scho-Antwerpes. „Hier in Köln halten wir zusammen, ganz gleich, wo unsere Wurzeln liegen.“

Die Polizei ging nach dem Anschlag von einer Abrechnung im kriminellen türkischen Milieu aus. In Richtung Rechtsextremismus wurde nicht ermittelt. Erst sieben Jahre später wurde deutlich, dass der NSU für die Tat verantwortlich war.

Kurz vor dem 15. Jahrestag des Anschlags waren am 3. Juni in der Nachbarschaft der Keupstraße Flugblätter mit Hakenkreuzen und Gewaltaufrufen gegen Muslime in Briefkästen eingeworfen worden. Oberbürgermeisterin Henriette Reker (parteilos) bezeichnete die Drohbriefe als „widerwärtige Aktion“ und als das „abscheuliche Gedankengut rechtsextremer Spinner“.

Die in Köln ansässige türkisch-islamische Organisation Ditib sieht die Flugblätter als Ausdruck einer „ständig wachsende(n) Bedrohungslage auch im öffentlichen Raum“. Die Muslime in Deutschland seien besorgt und fragten sich, ob diese Bedrohung wirklich ernst genommen werde. Die Haltung der deutschen Politik und Gesellschaft sei geprägt von „Anteilslosigkeit“.

Bei einer Diskussionsveranstaltung im Schauspielhaus in Köln-Mülheim zeigte sich am Sonntag, dass viele Anwohner mit der Aufarbeitung der NSU-Verbrechen unzufrieden sind. Der Komiker Ususmango sagte, als er gehört habe, dass beim Verfassungsschutz Akten zu V-Leuten in der Neonaziszene vernichtet worden seien, sei bei ihm etwas kaputt gegangen. „Ganz ehrlich, da war ich raus.“ Das führe dann dazu, dass man sich nicht mehr engagiere und die Haltung entwickle, „die da oben“ machten sowieso, was sie wollten.

Enttäuschung besteht auch darüber, dass ein seit langem geplantes Mahnmal des Berliner Künstlers Ulf Aminde noch immer nicht realisiert worden ist. Geschäftsleute und Anwohner aus der türkisch geprägten Keupstraße wünschen es sich auf einem Grundstück nahe des Anschlagsorts. Das Problem ist, dass dieses Grundstück nicht der Stadt gehört, sondern von einem privaten Investor entwickelt wird.

Demonstranten riefen am Sonntag am Eingang der Keupstraße „Mahnmal hier und jetzt sofort“ und schwenkten Transparente mit Aufschriften wie „Nie wieder NSU!“ und „Kein nächstes Opfer“. Bürgermeisterin Scho-Antwerpes sagte: „Ich halte es für extrem wichtig, dass wir ein Denkmal errichten lassen hier im Blickwinkel der Keupstraße.“

Der Künstler Ulf Aminde kündigte an, er wolle mit einem offenen Brief an Oberbürgermeisterin Reker, unterzeichnet von vielen Vertretern des kulturellen Lebens, Druck für eine schnelle Realisierung machen. Es sei „unglaublich, mit welchem Enthusiasmus sie alle diesen Brief unterschrieben haben“.

(hsr/dpa)
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