Prozess in Köln Ex-Chef der Kölner Hells Angels erneut vor Gericht

Köln · Der ehemalige Chef der Kölner Hells Angel muss sich seit Mittwoch wieder vor dem Kölner Landgericht verantworten – wegen gefährlicher Körperverletzung. Im Juni 2018 hatte er noch behauptet, die Familie sei nun das Wichtigste in seinem Leben.

 Serkan A. (Mitte) mit seinen Verteidigern Carsten Rubarth (l.) und Martin Bücher.

Serkan A. (Mitte) mit seinen Verteidigern Carsten Rubarth (l.) und Martin Bücher.

Foto: RPO/Hauser

Erhöhte Sicherheitsvorkehrungen am Mittwoch im Kölner Landgericht. Wer in Saal 2 will, muss erst durch eine Schleuse und wird von Justizbeamten abgetastet. Im Saal gibt es dann ein Wiedersehen zwischen dem Vorsitzenden Richter der 15. Großen Strafkammer, Jan F. Orth, und Serkan A., Ex-Chef des Kölner Hells-Angels-Charters „C-Town“. Der 36-Jährige ist mehrfach vorbestraft und hatte zuletzt im November 2017 eine fast siebenjährige Haftstrafe wegen Bildung einer kriminellen Vereinigung und gefährlicher Körperverletzung kassiert. Serkan A. blieb aber während einer laufenden Revision in dem Verfahren auf freiem Fuß, nachdem er eine Kaution von mehreren Tausend Euro bezahlt hatte.

Serkan A. bekam mehrere Auflagen, unter anderem die, sich aus dem Rocker-Milieu fernzuhalten. Mit ihm auf der Anklagebank sitzen wegen des Vorwurfs der gefährlichen Körperverletzung am Mittwoch Abdullah K. und Bora B., 25 und 31 Jahre alt. Gemeinsam sollen sie an einer Schlägerei auf den Kölner Ringen beteiligt gewesen sein, bei der ein 32-Jähriger durch mehrere Messerstiche lebensgefährlich verletzt worden war. „Mach ihn kalt!“, soll einer der drei Angeklagten kurz zuvor gerufen haben. Die Auseinandersetzung war in einer Shisha-Bar ausgebrochen, über deren Stammpublikum das Opfer in ersten Vernehmungen gesagt hatte: „Das sind ja alles Hells Angels, die da abhängen.“

Im Prozess distanziert das Opfer sich von Aussagen wie diesen. Er wisse nicht mehr genau, was er gesagt habe und ob einer der Angeklagten etwas mit Rockern zu tun habe, sagte der Mann. Wie Videoaufnahmen aus der Bar zeigen, war der Angeklagte Bora B. es, der das Messer zog und zustach. Er zeigt sich voll geständig und lässt über seine Verteidiger mitteilen, dass er „die Verantwortung für das unentschuldbare Fehlverhalten“ übernehmen wolle. Der Ford-Arbeiter könne sich bis heute nicht vernünftig erklären, warum er die Tat begangen habe. Das Messer habe er als „Gebrauchsgegenstand des Alltags“ bei sich gehabt, „zum Obst schneiden und für handwerkliche Dinge“, wie sein Verteidiger sagt. „Er hat es nie im Sinne einer Waffe verstanden und verwendet.“

Nach Aussagen der drei Angeklagten führte eine Nichtigkeit zur Eskalation in jener Nacht. Das spätere Opfer sei darüber verärgert gewesen, dass Bora B. ihn in der Shisha-Lounge nicht richtig begrüßt habe. Innerhalb von Sekunden kam es zur Schlägerei. Abdullah K. gibt zu, als erster zugeschlagen zu haben. Die Videobilder zeigen, dass alle vier sich an der Prügelei beteiligen, die Angeklagten und das spätere Opfer. Bora B. sagt: „Ich habe situativ falsch reagiert.“

Dies tat er wohl auch unmittelbar nach der Tat. Er setzte sich in die Türkei ab, in Panik, wie er sagt. Zwei Mitarbeiter der Shisha-Bar sollen ihm bei der Flucht aus dem Club geholfen und das Messer versteckt haben. Gegen sie wird noch ermittet. B. sei in der Türkei aber schnell klar geworden, dass er sich stellen müsse. Er hat keine Vorstrafen und dem Opfer schon vor Beginn des Prozesses 20.000 Euro als Wiedergutmachung bezahlt, sich bei ihm entschuldigt. Nach einer Woche im Krankenhaus wurde das Opfer damals nach Hause entlassen, ist aber seitdem arbeitsunfähig, kann keinen Sport mehr machen und wartet nach eigener Aussage zur Zeit auf einen stationären Traumatherapie-Platz.

Der 32-Jährige hat wegen versuchten Totschlags – mit einem Messer – selbst vor neun Jahren eine Haftstrafe verbüßt. Die Polizei hatte ihn in den ersten Vernehmungen auch nach Kontakten ins Rockermilieu gefragt. Im Prozess tritt er als Nebenkläger auf. Sein Anwalt sagt: „Er war nie Mitglied eines Rockerclubs und hat auch sonst keinen Bezug ins Rockermilieu.“ Für die Ermittler der Polizei war nach der Tat offenbar schwer vorstellbar, dass allein ein fehlender Gruß in der Shisha-Bar eine Prügelei auslöst, bei der jemand beinah ums Leben kommt. Doch sowohl die Angeklagten als auch das Opfer bleiben im Prozess dabei: Es gab keine Vorgeschichte, keinen anderen Anlass.

Serkan A. gilt in diesem Prozess zwar nicht als Haupttäter, er hatte Richter Orth aber im Juni 2018 gesagt, dass seine Familie nun das Wichtigste in seinem Leben sei. Mit dem „Mofa-Verein“, den Hells Angels, habe er nichts mehr zu tun. Und auch sonst wolle er sein Leben ändern. Damals war er nur Zeuge. Angeklagt war seine Verlobte wegen Betrugs. Als Buchhalterin einer Shisha-Lounge hatte sie mehr als 100.000 Euro vom Firmenkonto auf ihr eigenes oder das ihres Verlobten Serkan A. überwiesen. Mitsamt dreijährigem Sohn saß A. damals auf dem Zeugenstuhl und versicherte, komplett geläutert zu sein. Seine größte Sorge sei, seine Familie länger nicht zu sehen. Seine Verlobte war damals mit einer Bewährungsstrafe davon gekommen. Das Urteil vom November 2017 gegen Serkan A. ist nach Angaben eines Sprechers der Kölner Staatsanwaltschaft aber inzwischen rechtskräftig. Er muss also ins Gefängnis.

Ein Urteil im aktuellen Prozess wird für Ende Januar erwartet.

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