Karneval 2023 Von Cannabis bis zum nackten Po – Kölner Stunksitzung provoziert

Köln · Die Kölner Stunksitzung findet ihr Publikum – 50.000 feiern im E-Werk, Hunderttausende schauen im Fernsehen zu. Der alternative Karneval bleibt provokant und frech und zeigt alles bis zum nackten Po. Wir waren bei der Aufzeichnung dabei und geben eine Vorschau.

Stunksitzung Köln 2023:  50.000 Jecken kommen ins E-Werk
5 Bilder

50.000 Jecken feiern im Kölner E-Werk die Stunksitzung

5 Bilder
Foto: WDR/Thomas Brill

Wenn alles so leicht wäre wie in der Kölner Stunksitzung, dann kämen Scholz und sein Bundeskabinett so richtig auf Trab. Denn die Stunker, immer schon toll, doll, alternativ, aktiv und keineswegs korrekt, lassen die Regierung nach der Pfeife von Kölns Erfolgscoach Baumgart tanzen. Da wird der Kanzler zur Null-Nummer, fährt Lindner mit dem Porsche aufs Spielfeld, raucht Özdemir Gras. Die Stunksitzung hat auch in zwei Jahren Corona-Zwangspause nichts von ihrem Biss verloren, im Gegenteil: Von Gendern bis Cannabis, von Ukraine-Krieg bis Köln-Chaos wird temperamentvoll thematisiert, was den Seelenfrieden der Szene stört.

Und bei aller Härte (Steinmeier wird zu Schleimmeier) und Provokation (die Wartepause bei der deutschen Bummelbahn endet mit einem nackten Po am Zugfenster) betont die Stunksitzung ihre romantische Seite: Da gibt es ein Ballett zu Klingel- und Computertönen, da zeigen sich Vater Rhein und Loreley in einer bestrickenden Inszenierung (tolle Kostüme, alle selbst gehäkelt).

Die Stunksitzung bietet Träumerei und Tamtam gleichermaßen. Dafür sorgt schon Köbes Underground. Der Bandleader spielt Mundgitarre, singt vom Lastenrad, bekennt später als Prinz im Stunker-Dreigestirn, was kaum ein Mann im Publikum mitsingen will: „Ich bin im Bett nicht gut.“ Das ist alles keineswegs platt, aber immer spitzfindig. Wie sich die Cannabis-Freigabe auf den Karneval auswirkt? Die Mariechen heißen ab sofort Mariehuana. Wie der Krieg der Gendersternchen ausgetragen wird? Von Lucie Skywalker mit dem Leserinnenschwert.

Natürlich führt an der Weltlage nichts vorbei: Kompost-Putin und Schälinski streiten im Kleingarten um ihre Beete, Barböckchen und Macrönchen treten auf. Scholz langweilt alle – keiner hört seiner leiernden Stimme zu. Die Stunksitzung hält die Stimmung. Selbst ungewollte Versprecher der Sitzungspräsidentin Biggi Wanninger werden mit Lachern goutiert, die Aufmerksamheit ist groß, jeder Gag wird genossen und durch Zugaberufe verstärkt. Da kommt bei der Aufnahme der Fernsehsitzung Sorge auf: „Hört auf zu lachen sonst kommen wird nicht durch“, fleht, selbst vor Vergnügen prustend, Biggi Wanninger.

Und auch Düsseldorf kommt in Köln vor – als gutes Beispiel für bessere Verkehrsplanung. Siehe Rheinufertunnel. Kriegt Köln so nicht hin. Und auch das grünste Gericht tagt. Trotz Mülltrennung landet der grüne Wähler in der Öko-Hölle. Nicht genug fürs Klima getan. Und schließlich erobern Frauen die Männerdomäne Brauhaus – als Köbesinen. Ein Job für Unerschrockene.

Rainer Maria Woelki hat sich schon im Vorfeld der Sitzung geäußert. Der Kölner Erzbischof nimmt es nach eigenem Bekunden mit Humor, als des Teufels Kardinal verspottet zu werden. Selbst sieht er sich allerdings anders. Im Sketch hat der Teufel auch schon einen Nachfolger für Woelki im Blick, falls dieser Papst werden sollte: Tebartz-van Elst („für eine goldene Badewanne tut der alles“). Zum (verspäteten) Kanzlerinnenabschied wird verkündet: „Wen findet Mutti noch viel blöder als Schröder? – Markus Söder“.

Die Nachfolgefrage stellt sich kurz oder lang auch bei den Stunkern. Seit 1984 gibt es die Sitzung. Manche im Ensemble sind seit Jahrzehnten dabei und schon im Rentenalter. Bruno Schmitz aus Kleve, provokanter Vordenker und ausdrucksstarker Aufmischer, verabschiedet sich jetzt mit über 70. Sein Scholz-Anpfiff aber sitzt: „Wenn ich sage, die Null muss stehen, meine ich doch nicht dich.“

 Stück "Des Teufels Kardinal": mit den Darstellen Teufel (Ozan Akhan) und Kardinal Wölki (l, Günter Ottemeier).

Stück "Des Teufels Kardinal": mit den Darstellen Teufel (Ozan Akhan) und Kardinal Wölki (l, Günter Ottemeier).

Foto: WDR/Thomas Brill

Ob die letzte Generation der Stunker auf der Bühne steht? Bleibt abzuwarten. Dem Ensemble ist es bislang immer wieder gelungen, neue Talente zu gewinnen. Aber jetzt ist die Herausforderung besonders groß, die Brillanz zu sichern. Schließlich sollen auch nächstes Jahr wieder gut 50.000 zu den Sitzungen ins E-Werk kommen, jubeln, auf den Bänken stehen und sich freuen: Alles nur „wegen dem Brauchtum“.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort