Karnevalsauftakt in Köln "Sodom und Gomorrha für Vollidioten"

Köln · Der 11.11. hat bei vielen Kölner Jecken einen Kater hinterlassen. Selbst Karneval-Profis wie "Rabaue"-Sänger Alexander Barth beklagen sich, dass ihnen durch Wildpinkler und betrunkene Jugendliche die Freude am Straßenkarneval vergehe. Das Festkomitee kündigt Konsequenzen an.

Wildpinkler (Symbolbild).

Wildpinkler (Symbolbild).

Foto: Schütz

Alexander Barth tritt seit 15 Jahren im Karneval auf, der Sänger der Kölner Band "Rabaue" hat schon viel erlebt. Aber am Wochenende platzte ihm der Kragen. Auf Facebook schimpfte er über das Benehmen im Kölner Straßenkarneval. Die Stadt werde einmal im Jahr zum "Sodom und Gomorrha für Vollidioten". Es werde "wirklich immer schlimmer".

Auf Nachfrage erklärte Barth unserer Redaktion, dass er und seine Bandkollegen mehrere Auftritte am Samstag gehabt hätten und von Veranstaltung zu Veranstaltung gefahren seien. Dabei hätten sie sich durch betrunkene und krakeelende Menschen sowie "Pisse, kaputte Flaschen und dergleichen" kämpfen müssen. Zwischendurch habe sich ihnen ein junger Mann in den Weg gestellt und "in aller Seelenruhe" gegen ihren Wagen uriniert. "Ich frage mich ganz ehrlich, was das noch mit Karneval zu tun hat", schreibt Barth auf Facebook.

Früher hätten sich die Menschen im Straßenkarneval anders benommen, meint der 32-Jährige. "Zu meiner Jugendzeit haben wir uns nicht so dämlich verhalten." Auch habe er den Eindruck, dass viele nur noch zum Straßenkarneval kämen, um sich zu betrinken. Ihm seien schon mittags viele alkoholisierte Menschen aufgefallen, unter ihnen viele Jugendliche. Es gebe regelrechte Party-Touristen: Im Oktober führen sie nach München zum Oktoberfest, im November nach Köln zum Karneval.

"Auswüchse in der gesamten Altstadt"

Die Konsequenz daraus sei, befürchtet Barth: "Diejenigen, die einfach nur Karneval feiern wollen, können das auf den Straßen nicht mehr." In den Gaststätten und Sälen, in denen sie aufgetreten seien, hätten sie "tolle, friedliche und vor allem fröhliche Auftritte" erlebt. "Aber was auf den Straßen in der Innenstadt abgeht, hat mit dem Karneval, den ich kenne und liebe, rein gar nichts mehr zu tun." Unter seinem Facebook-Post stimmen ihm viele Nutzer zu.

Auch das Festkomitee Kölner Karneval kritisierte die "Auswüchse in der gesamten Altstadt" und kündigte Konsequenzen an. "Diese Zustände sind so nicht mehr hinnehmbar", sagte Festkomitee-Präsident Christoph Kuckelkorn unserer Redaktion. Der Karneval habe "mit den gleichen Problemen zu kämpfen wie viele andere Großveranstaltungen". Diese Aufgabe könne nur bewältigt werden, "wenn jeder Einzelne seinen Beitrag leistet". Alle seien in der Pflicht: "Die Stadt, aber auch alle, die in Köln feiern wollen".

Anfang November hatte das Festkomitee Kölner Karneval zusammen mit der Willi-Ostermann-Gesellschaft und der Stadt Köln eine Kampagne "für rücksichtsvolles Feiern" gestartet. Auf Plakaten rufen sie seitdem dazu auf, nicht einfach an die nächste Straßenecke zu pinkeln oder Müll fallen zu lassen. Die Kampagne werde fortgesetzt, sagte Kuckelkorn. "Ein Umdenken in den Köpfen braucht leider Zeit." Und Plakate reichten nicht. "Darüber hinaus müssen natürlich weitere Maßnahmen folgen. Welche das sind, gilt es nun zu analysieren." Gastronom Daniel Rabe vom Restaurant "Bagatelle" in der Südstadt forderte, dass die Stadt Köln mehr Dixi-Klos aufstellt. Von der Stadtverwaltung war bislang keine Stellungnahme zum 11.11. und zu möglichen Konsequenzen zu bekommen.

Polizei im Dauereinsatz

Die Polizei war am Samstag im Dauereinsatz in Köln. Sie meldete Festnahmen und Strafanzeigen - unter anderem wegen sexueller Übergriffe und Körperverletzungen. Am frühen Sonntagmorgen habe sich die Situation in der Domstadt dann beruhigt, sagte ein Polizeisprecher. Zeitweise waren die Hauptplätze der Feiernden in der Innenstadt wegen Überfüllung gesperrt worden. Nähere Angaben machte die Polizei bislang nicht. Das Ordnungsamt zählte 119 Wildpinkler - das waren etwas weniger als im Vorjahr, wie die Stadt Köln mitteilte.

Die Kölner Stadtspitze will die negativen Begleiterscheinungen des Karneval wie Müll, Aggressivität und Pinkeln auf offener Straße nicht weiter so akzeptieren. "Wir wollen es nicht hinnehmen, dass unser Karneval und unsere Stadt kaputtgemacht werden", erklärte Oberbürgermeisterin Henriette Reker (parteilos) am Montag. Sie spreche sich daher für einen "Runden Tisch" aus. An diesem sollten Vertreter des Kölner Karnevals, der Stadtgesellschaft und der Behörden sitzen. "Die Stadtgesellschaft muss jetzt entscheiden, wie es mit den öffentlichen Feiern an den Karnevalstagen weitergehen soll", mahnte Reker.

Aus Düsseldorf meldete die Polizei keine außergewöhnlichen Einsätze. Die meisten Narren hätten dort friedlich gefeiert, hieß es.

(mit Material der Nachrichtenagentur dpa)

(wer)
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