Nach Angriff auf Henriette Reker In Köln regiert jetzt die zweite Reihe
Köln · Bis zur vollständigen Genesung des neu gewählten Kölner Stadtoberhaupts führt Stadtdirektor Guido Kahlen die Geschäfte. Auch auf die Bürgermeisterin kommen Aufgaben zu. Die Oberbürgermeister-Kette bleibt zunächst liegen.
Wenn Kölns noch amtierender Oberbürgermeister Jürgen Roters (SPD) heute ein letztes Mal die Sitzung des Stadtvorstands leitet, wird im Kreis der Dezernenten eine Frau fehlen: Henriette Reker, Beigeordnete für Soziales, Integration und Umwelt der Domstadt und gewähltes neues Stadtoberhaupt. Die parteilose 58-Jährige, die am Sonntag mit fast 53 Prozent zur ersten Oberbürgermeisterin gewählt wurde, befindet sich nach dem Messeranschlag weiterhin im Krankenhaus. Wie lange sie dort bleiben wird, kann derzeit wohl niemand sagen. So wird sich Roters heute in ihrer Abwesenheit von den Dezernenten verabschieden. Anschließend trifft er sich mit seinen engsten Mitarbeitern im Rathaus, und um 13 Uhr wird er dann noch einmal vor die Presse treten.
Bis auf Weiteres übernimmt Stadtdirektor Guido Kahlen (SPD) als allgemeiner Vertreter des OB die Führung der Verwaltung mit ihren 17.000 Beschäftigten. Kahlen war weit über Köln hinaus in die Kritik geraten, weil er als damaliger Wahlleiter nach der Kommunalwahl 2014 die Proteste der CDU gegen die Stimmauszählung in einem Rodenkirchener Bezirk beiseite gewischt und erklärt hatte, es handle sich "um eine überdurchschnittlich sorgfältig verfasste Niederschrift". Ein fataler Irrtum, wie sich im Mai - Kahlen hatte da schon sein Amt als Wahlleiter niedergelegt - bei der Neuauszählung zeigte. Tatsächlich waren die Stimmen von SPD und CDU vertauscht worden. Die Folge war, dass die SPD einen Sitz im Rat verlor.
Es handelte sich ausgerechnet um das Mandat des Kölner SPD-Vorsitzenden Jochen Ott, der 2014 als letzter Sozialdemokrat über die Parteiliste in den Rat eingezogen war. Nachdem Ott am Sonntag gegen Reker verloren hat, gehen Insider davon aus, dass er Druck machen wird, um seinen Ratssitz wiederzuerlangen. Dies gelänge ihm aber nur, wenn ein Ratsmitglied das Mandat niederlegen würde. Über Namen wird bereits spekuliert: Könnte dies Elfi Scho-Antwerpes treffen, die soeben erst für die neue NRW-Familienministerin Christina Kampmann in den Bundestag nachgerückt ist? Scho-Antwerpes will davon nichts wissen: "Das Thema steht nicht an." Ihre Tätigkeiten im Bundestag und als Bürgermeisterin seien gut miteinander vereinbar, sagte sie unserer Redaktion.
Als erste Bürgermeisterin (von insgesamt vier in Köln) kommen auf die Ex-Frau des früheren Kölner Regierungspräsidenten Franz-Josef Antwerpes jetzt verstärkt repräsentative Aufgaben zu. Wenn alles planmäßig verlaufen wäre, hätte sie morgen im Rat der Stadt Henriette Reker vereidigt und ihr die OB-Amtskette angelegt. Die Sitzung ist nun bis auf Weiteres verschoben worden; die Amtskette bleibt einstweilen liegen.
Nach Angaben des Kölner "Express" ist Reker gestern aus dem künstlichen Koma geholt worden. Ob und wann sie in der Lage sein wird, die Amtsgeschäfte als Oberbürgermeisterin wahrzunehmen, ist derzeit aber noch völlig unklar. Reker hatte im Wahlkampf angekündigt, sich für gute Ideen ("egal, von welcher Partei sie kommen") zum Wohle der Stadt stark machen zu wollen. Dazu braucht sie aber eine Mehrheit im Rat der Stadt. CDU, Grüne, FDP und Freie Wähler, die sie im Wahlkampf unterstützt haben, verfügen in diesem 90-köpfigen Gremium über eine Mehrheit von 49 Sitzen. Doch wird dieses "Jamaika-Bündnis" (so benannt nach den Farben Schwarz, Grün, Gelb) wirklich Bestand haben?
Nach der Kommunalwahl 2014 hatten SPD und Grüne (beide zusammen haben 44 Sitze) ihre Zusammenarbeit lediglich auf Eis gelegt. Die große Frage in Köln wird sein, ob SPD und Grüne diese Kooperation nach der OB-Wahl wiederaufleben lassen und möglicherweise mithilfe der Piraten (zwei Sitze) eine Mehrheit im Rat bilden könnten. Fertig wäre die sogenannte Paprika-Koalition.
Das Reker-Team warnt jedenfalls schon jetzt vor übereilten Schritten: "Wir fordern, das klare Wählervotum für Henriette Reker zu respektieren und sie als zukünftiges Stadtoberhaupt an allen wichtigen Entscheidungen zu beteiligen." Sie dürfe "durch laufende Gespräche der Parteien nicht vor vollendete Tatsachen gestellt werden".