Einschätzung zur Sicherheit Das sagen Experten zum Seilbahn-Notfall in Köln

Düsseldorf · Die Kölner Seilbahn wird von Offiziellen schon mal als sicherstes Verkehrsmittel der Domstadt gepriesen. Trotz des Notfalls am Sonntag wiegeln Experten ab: Der Stillstand einer Seilbahn gehöre zum normalen Sicherheitskonzept.

"Die Seilbahn, Kölns sicherstes Verkehrsmittel, bietet seit über 50 Jahren die schönsten Aussichten aus der Vogelperspektive" - so bewerben die Kölner Verkehrs-Betriebe (KVB) die Seilbahn der Domstadt auf ihrer Webseite. Mehr als 15 Millionen Passagiere haben seit 1957 in der Kölner Seilbahn eine Panorama-Fahrt in luftiger Höhe erlebt.

Eröffnet worden war die Touristenattraktion als Wahrzeichen der damaligen Bundesgartenschau - vor ziemlich genau 60 Jahren. Zu den ersten Fahrgästen gehörte Konrad Adenauer, der erste Bundeskanzler der Bundesrepublik. Mitte Juni feierte man in Köln ein großes Jubiläumsfest.

Bilder: Kölner Seilbahn steckt fest - Höhenretter im Einsatz
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Höhenretter befreien Fahrgäste aus Seilbahn

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Foto: dpa, mku kno

Nahezu vergessen schien da der Vorfall vom Herbst 2014, als eine Familie vier Stunden in einer Gondel in rund 40 Metern Höhe festsaß. Damals war ein Rad bei Sturm aus der Führung gesprungen. Höhenretter seilten die Familie in einer dramatischen Aktion auf ein Boot im Rhein ab.

Die Kölner Seilbahn-Gesellschaft mbH, eine Tochter der KVB, reagierte damals auf den Vorfall; die Seilbahn ging nach der Panne bis zur regulären Winterpause nicht wieder in Betrieb. In der Zeit wurden dann Ausbesserungsarbeiten an Gondeln und Seilbahn vorgenommen, rund 150.000 Euro investiert. Die Seilbahn erhielt vorzeitig ein neues Zugseil, das Tempo sollte sich künftig stärker nach dem Wind richten. Vor der Saison 2016 wurde zudem der Entgleisungsschutz verbessert. Trotzdem kam es jetzt wieder zu einem Notfall.

Und wieder kochen die Emotionen in Köln hoch: "Die Seilbahn muss stillgelegt werden. Sofort. Der technische Nachweis muss her, dass sie modernsten Anforderungen an Sicherheit und Verkehrstauglichkeit gewachsen ist", heißt es in einem Kommentar des "Kölner Stadt-Anzeigers".

Der Vorwurf: Das Überholen von Gondeln und Tragseilen sei offenbar nicht erfolgreich gewesen, die Seilbahn ein Sicherheitsrisiko. Was die Ursache der neuen Panne war, sollen jetzt der TÜV sowie Gutachter aufklären.

Seilbahn in Köln: Spezialfirma birgt beschädigte Gondel
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Beschädigte Gondel an Seilbahn in Köln geborgen

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Foto: Arton Krasniqi

Dass das Alter der Seilbahn eine Rolle gespielt haben könnte, halten Experten indes für unwahrscheinlich. "Die Kölner Seilbahn ist Ende der 1950er-Jahre gebaut worden, die Masten sind noch die gleichen. Aber es ist keine uralte Technik", erläutert Professor Heiner Monheim, Verkehrs- und Seilbahnexperte aus Trier, unserer Redaktion. Die Seilbahn sei mehrfach erneuert, die Sicherheitstechnik aufgerüstet worden. Zudem werde regelmäßig kontrolliert: "Der TÜV ist da ständig dran", sagt Monheim.

Experte Ralf Eisinger ist am Institut für Fördertechnik und Logistik der Universität Stuttgart zuständig für den Bereich Zerstörungsfreie Seilprüfungen. Das Institut untersucht regelmäßig die Zugseile der Kölner Seilbahn. "Die sind in Ordnung", sagt Eisinger. Veraltet ist die Kölner Seilbahn auch aus seiner Sicht "sicherlich nicht": "Vom Gesetz her ist es so, dass Dinge, die man irgendwann einmal zugelassen hat und die heute noch in Betrieb sind, geändert werden müssen, sobald etwas zu beanstanden ist", sagt er.

Es werde stets geprüft, wie alt etwas sei, welche Teile erneuert werden müssten, es gebe technische Verbesserungen, deren Umsetzung Pflicht sei. "Man muss auch dazu sagen, dass die Bahn all die Jahre ohne größere Störungen gelaufen ist", sagt Eisinger.

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Foto: dpa, cul

Der Wissenschaftler verweist darauf, dass die zweite Stufe der Technik funktioniert habe: die Notabschaltung mit anschließender Bergung. Dem pflichtet auch Peter Schöttl bei, Präsident des Verbands Deutscher Seilbahnen und Schlepplifte e.V. in München. Er erklärt: "Man muss vor Augen haben, dass da während der Fahrt ganz viel geprüft wird. Wenn irgendwas nicht stimmt, irgendwas Ungewohntes auftritt, wird die Bahn angehalten. Das liegt im Sicherheitssystem einer Seilbahn." Das könne zum Beispiel ein defekter Sensor sein, der keine Messwerte mehr liefere.

In Köln habe zu keiner Zeit Gefahr für die Menschen bestanden: "Eine Seilbahn, die steht, ist erst mal im sicheren Zustand", sagt Schöttl. Dass eine Seilbahn stehenbleibe, sei kein Fehler, sondern eine Folge der Sicherheitsmaßnahmen - "um sicherzustellen, dass nicht mehr passieren kann", sagt Schött.

Dass der unfreiwillige, stundenlange Aufenthalt in den Gondeln für die vielen Betroffenen, insbesondere für die kleinen Kinder, ein schlimmes Erlebnis war, sei nicht wegzudiskutieren. "Aber genau dafür werden solche Bergungsaktionen geübt", sagt Schöttl. Sie seien zwar keine Routine, aber auch kein unrealistisches Szenario. In der Tat hatten Höhenretter in Köln erst in der vergangenen Woche einen ähnlichen Vorfall trainiert - ausgerechnet an der jetzigen Unglücksstelle.

(oko)
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