Nach Gewalttaten in Köln Brennpunkt Ebertplatz — "ein beklemmendes, ungutes Gefühl"

Grau, dreckig, unübersichtlich und gefährlich: Der Ebertplatz in Köln steht nach zwei Gewalttaten im Fokus der Öffentlichkeit. Das Problem ist aber nicht neu. Anwohner meiden den Platz, so gut es geht.

Ebertplatz in Köln
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Brennpunkt Ebertplatz in Köln

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Foto: dpa, obe pil

Semra hat eine Strategie, damit sie nicht angesprochen wird, wenn sie abends über den Ebertplatz zur U-Bahn eilt. "Meine Erfahrung ist: Bloß keinen Blickkontakt herstellen, dann geht es meistens", sagt die 22-Jährige. Sie arbeitet seit zwei Jahren in einem Kosmetikstudio im Agnesviertel. Nachdem am 14. Oktober ein 22-Jähriger aus Guinea auf dem Ebertplatz erstochen worden war, versuchte Semra aus Angst, den Platz komplett zu meiden. "Ich bin dann jeden Tag mit dem Auto zur Arbeit gefahren, aber die Parkgebühren machen mich arm", sagt sie. "Also Augen zu und durch." Doch sie hat jeden Abend ein mulmiges Gefühl.

Der Ebertplatz ist wohl einer der trostlosesten Plätze, den Köln zu bieten hat. In den 1970er Jahren gebaut, liegt er zwischen Kuniberts- und Agnesviertel, beides sind beliebte Wohngegenden. Der Ebertplatz wirkt wie eine Schlucht aus grauem Beton, es gibt einen Brunnen, der auch im Sommer nicht sprudelt, in den verwinkelten Gängen zur U-Bahn riecht es penetrant nach Urin.

Drogendealer und Obdachlose haben hier ihre Stammplätze, schon am Morgen werden die ersten Bierflaschen geöffnet, im Laufe des Tages wird der Ton hier aggressiver und rauer. Auf dem Platz ist die Stelle noch gut zu erkennen, wo der 22-Jährige getötet wurde. Auf einem Tuch stehen Kerzen und Blumensträuße, eine junge dunkelhäutige Frau tanzt am Dienstag mit einer Bierflasche in der Hand neben dem Tatort und weint.

Der Grünen-Bezirksbürgermeister der Kölner Innenstadt, Andreas Hupke, hatte nach der tödlichen Messerattacke gesagt: "Die Polizei hat den Ebertplatz aufgegeben." Heute sagt er: "Das war keine glückliche Formulierung — die Polizei tut was sie kann, aber sie hat zu wenig Personal."

Dass der Ebertplatz ein problematischer "Hotspot" sei, sei schon länger klar. Seit die starke Polizeipräsenz rund um den Dom und den Bahnhofsvorplatz als eine der Konsequenzen aus der Silvesternacht 2015/16 sämtliche nordafrikanische Dealer dort verdrängt hat, haben die sich neue Plätze gesucht — dazu gehört der Ebertplatz. "Und am Ebertplatz geraten die Nordafrikaner immer wieder mit den Schwarzafrikanern aneinander, die dort in der Kneipe in der Unterführung trinken", sagt Hupke.

Er selbst habe dort schon geschlichtet. "Die gehen da teilweise mit abgebrochenen Flaschen aufeinander los." So wie am vergangenen Wochenende, als es erneut zu einer Gewalttat kam: Zwei Männer (35, 48) wurden mit kaputten Flaschen angegriffen und verletzt. Zwei Verdächtige wurden noch in der Nacht festgenommen. Im Juli hatte ein Cannabis-Dealer am Ebertplatz einen Kunden mit einer Glasflasche verletzt, nachdem sie sich nicht einig geworden waren.

Wer kann, meidet den Platz. "Ich gehe lieber außen herum und stehe ewig an den Ampeln als durch die Unterführung", sagt Hermann Weis, der im Agnesviertel lebt. "Es ist einfach ein beklemmendes, ungutes Gefühl — und das sage ich als gestandener Mann und am helllichten Tag", sagt der 64-Jährige. Doch auch er hat keine Wahl, wenn er die U-Bahn nehmen will.

"Wir haben schon mit beiden Vorgängern des neuen Polizeipräsidenten Uwe Jacob in der Bezirksvertretung darüber gesprochen und nach Lösungen für die Situation gesucht", sagt Hupke. Uwe Jacob wird am 7. Dezember zu einer "Aktuellen Stunde" der Bezirksvertretung erwartet, in der sich erneut alles um den Ebertplatz drehen wird.

Bürgermeister fordert Umgestaltung des Platzes

Am Donnerstag hatte Jacob betont, dass die Kölner Polizei in diesem Jahr bereits 4000 Stunden auf dem Ebertplatz verbracht hat. Fast 500 Platzverweise wurden seitdem ausgesprochen, 1855 Personen wurden kontrolliert, 19 fest genommen.

Sowohl Hupke als auch Jacob sagen, dass man die Situation nicht mit politischen oder polizeilichen Mitteln lösen kann. "Es braucht eine Umgestaltung des Platzes", sagt Hupke. Auch wenn nun Ad-hoc-Maßnahmen wichtig seien — mehr Licht, mehr Sauberkeit, weniger Möglichkeiten für die Dealer, ihre Drogen zu verstecken, etwa in den Hochbeeten auf dem Platz. Kameras sollen für mehr Überwachung sorgen. "Die werden bei der Prävention allerdings nicht helfen, sondern können allenfalls zur Aufklärung von Straftaten beitragen", sagt Hupke.

Er wünscht sich mehr Zivilpolizisten und "mobile Beamte", die auf dem Rad oder zu Fuß unterwegs und dadurch flexibel sind. Außerdem fordert er "hoch professionelle Streetworker", die mit der Polizei, der Staatsanwaltschaft, dem Ordnungsamt und dem Jugendamt zusammenarbeiten. "Sonst werden wir das Problem nicht in den Griff kriegen."

Langfristig wird die Stadt Köln den Ebertplatz neu gestalten, wie Oberbürgermeisterin Henriette Reker am Montag mitteilte. Mit einem konkreten Baubeginn ist aber erst im Jahr 2020 zu rechnen.

Bis dahin werden werden Anwohner wie Hermann Weis wohl weiterhin versuchen, so wenig Zeit wie möglich auf dem Ebertplatz zu verbringen.

(hsr)
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