Untersuchungsausschuss zur Kölner Silvesternacht "Das Schlimmste ist, dass wir nichts mitbekommen haben"
Köln · Der Parlamentarische Untersuchungsausschuss zur Silvesternacht hat seine Arbeit aufgenommen. Die ehemalige Pressesprecherin der Kölner Polizei nutzte ihren Auftritt für eine persönliche Erklärung.
Ihren Job als Pressesprecherin des Kölner Polizeipräsidiums hat sie kurz nach der Silvester-Chaos-Nacht hingeworfen - sie wartet derzeit auf eine neue Aufgabe in der größten Polizeibehörde des Landes.
Aber als sie am Montag als Zeugin im Parlamentarischen Untersuchungsausschuss (PUA) aussagte, war es, als spräche sie ihren 4000 Kollegen doch noch einmal aus dem Herzen: "Bevor Sie mit der Befragung beginnen, möchte ich etwas Persönliches sagen", so Martina Kaiser in die Runde der Landtagsparlamentarier, "es ist für mich als Polizistin das Schlimmste, dass wir diese Straftaten ganz in unserer Nähe nicht mitbekommen haben. Das belastet mich."
Hunderte Frauen wurden zu Opfern
In der Silvesternacht wurden Hunderte Frauen im Kölner Bahnhofsbereich Opfer von sexuellen Übergriffen und Diebstählen. Die Tatverdächtigen sind fast ausschließlich nordafrikanischer Herkunft. Kurioserweise erklärte die Kölner Polizei am Neujahrsmorgen per Pressemitteilung: "Trotz der ungeplanten Feierpause gestaltete sich die Einsatzlage entspannt - auch weil die Polizei sich an neuralgischen Orten gut aufgestellt hatte und präsent zeigte."
Kaiser erklärte das am Montag so: Ihre zuständige Mitarbeiterin habe Neujahr gegen 8.30 Uhr in der Leitstelle die besonderen Vorkommnisse der Nacht abgefragt. Ihr seien lediglich drei Sexualdelikte mitgeteilt worden. Kaiser: "Im Vorjahr war es ein Sexualdelikt. Auch drei Delikte dieser Art sind in einer Stadt wie Köln nichts, was außergewöhnlich ist."
Rücksprache mit Polizeipräsident Albers
Erst im Laufe des Tages seien ihr weitere Delikte bekannt geworden sowie Hinweise, dass die Täter überwiegend aus Nordafrika kamen. Im Gespräch mit dem damaligen Kölner Polizeipräsidenten Wolfgang Albers habe sie aber dazu geraten, das erst zu veröffentlichen, "wenn gesicherte Erkenntnisse vorliegen, die wir dann nicht mehr korrigieren müssen."
Im Vorfeld war der Verdacht laut geworden, die Kölner Polizei habe die Vorkommnisse verharmlost und insbesondere die Herkunft der mutmaßlichen Täter bewusst verschwiegen. Ein Medienerlass erlaubt der Polizei die Nennung der Nationalität mutmaßlicher Täter nur in Ausnahmen - etwa, wenn diese Information bei einer Fahndung für die Identifizierung der Gesuchten durch die Bevölkerung notwendig ist.
Chaos nach Mitternacht
Eine tragende Rolle spielte im PUA auch die Hohenzollernbrücke, die in den Kölner Hauptbahnhof mündet. Die Brücke wurde erst kurzfristig und weit nach Mitternacht gesperrt, als das Chaos längst seinen Höhepunkt erreicht hatte und zahlreiche Menschen auch über das Gleisbett der Brücke auf das Bahnhofsgelände drangen. Dadurch wurden erhebliche Polizeikräfte gebunden, die bei der Bewältigung der Übergriffe auf dem Bahnhofsvorplatz fehlten.
NRW-Innenminister Ralf Jäger (SPD) wies am 14. Januar überraschend mit dem Finger auf die Stadt Köln und deren angebliche Haltung bei der Lagevorbesprechung: "Die Stadt Köln hatte im Vorfeld eine solche Sperrung für den Fußgängerverkehr nicht genehmigt."
Zeuge: Generelle Sperrung nicht geplant
Als Zeuge im PUA sagte auch der Abteilungsleiter des Kölner Ordnungsamtes aus. "Die Stadt Köln hat keine Sperrung abgelehnt", so der Zeuge wörtlich. Sie habe im Brückenbereich Zäune und anderes Absperrmaterial deponiert, im Vorfeld die Polizei um Bereitstellung eines Lautsprecherwagens zum Lenken der Passanten gebeten und sogar Vorbereitungen für eine Evakuierung der Brücke getroffen. Außerdem habe die Stadt das Sicherheitspersonal im Bereich der Hohenzollernbrücke im Vergleich zu den Vorjahren massiv aufgestockt.
Allerdings: Eine generelle Sperrung der Brücke sei seitens der Stadt nicht geplant gewesen, räumte der Zeuge ein. Dies sei "nur für den Bedarfsfall" geplant gewesen, so der Zeuge. Etwa auf Anweisung der Landes- oder der Bundespolizei oder wegen Überfüllung der Brücke. Dies sei auf einer Vorbesprechung am 9. Dezember mit Vertretern der Stadt, des Kölner Bahnhofs und der Polizei verabredet worden.