Karneval Der kleinste Zoch von Köln

Köln · Seit sieben Jahren veranstalten die Bewohner einer Straße in Köln-Raderthal einen eigenen Karnevalszug. Es ist der kleinste Zoch der Stadt. Das Reitercorps besteht aus zwei alten Schaukelpferden.

Der kleinste Karnevalszug in Köln 2017
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Der kleinste Karnevalszug in Köln 2017

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Foto: Arton Krasniqi

In der Hofburg ist Hochbetrieb. Der schmucklose Gyros-Imbiss an der Ecke ist seit Samstag Residenz von Jungfrau Susanne, Bauer Chrissi und "seiner Tussigkeit" Prinz Angelika. Ihr Foto wird bald neben all den anderen gerahmt an der Wand in der Frittenbude hängen. Sie sind das neue Dreigestirn der Schulze-Delitzsch-Straße in der Kölner Südstadt. Es ist die Straße mit dem kleinsten Karnevalsumzug der Stadt. 17 Gruppen gibt es in dieser Session, fast alle Teilnehmer wohnen an der Straße. Es gab sogar schon Jahre, da bestand eine Gruppe nur aus einer Person.

Der Mini-"Zoch" zieht immer am Karnevalssamstag einmal die 350 Meter lange Straße entlang. Die gesamte Tour geht dann wieder zurück — sonst wäre der Zoch zu schnell vorbei. "Im Prinzip war jeder, der hier wohnt, schon einmal im Dreigestirn", sagt Matthias Gaul. Der 56-Jährige war 2015 Prinz, seine Frau ist es in diesem Jahr. Hier muss das Dreigestirn nicht männlich sein, den Job haben auch schon einmal drei Frauen gemacht.

Zur Inthronisierung am Samstag, 11.33 Uhr, kommt die ganze Straße zusammen, die Schulze-Delitzsch-Allstars (SDS) spielen "Heidewitzka, Herr Kapitän!" Auch sämtliche Bandmitglieder leben an der Straße. Fast 30 Karnevalslieder haben sie eingeübt, es gibt ein Liederheft mit allen Texten, aber "Heimweh noh Kölle" und "Op dem Maat" können hier ohnehin alle auswendig. Vor den Häusern gibt es Stände mit Bier, Würsten und Brezeln, bezahlt wird mit Raderthalern, das Geld für Kamelle und Strüssjer stammt aus einem Flohmarkt, den die Straße immer im Herbst veranstaltet. "Das hier ist der richtige Karneval", sagt Gaul. "Hier steckt keine Gesellschaft dahinter. Wir feiern so, wie wir wollen."

Die Idee zum eigenen Zoch entstand vor sieben Jahren. Der offizielle Veedelszug ging zum ersten Mal nicht mehr durch die Schulze-Delitzsch-Straße. "Wir haben in die Runde gefragt: Wer macht mit bei einem eigenen Zug? Und fast alle waren dabei", sagt Monika Häfner, die an diesem Samstag die Kasse macht, also Euro in Raderthaler tauscht. Sie lebt seit 30 Jahren in der Straße. "Mittlerweile gehen schon die Kinder der Kinder beim Zoch mit." Es gibt nur einige wenige Familien, die keine Lust auf Karneval haben — die sind verreist. An allen anderen Häusern stehen die Haustüren offen, überall sausen Kinder herum, als Lebkuchenmann, Schneemännchen oder Monster verkleidet.

Drüben auf dem Parkplatz bringt sich der Zoch in Stellung. Das Reiterkorps besteht aus exakt zwei Pferden — und die sind aus Stoff und stehen auf Rädern. Zwei Frauen ziehen die alten Schaukelpferde hinter sich her. Ganz vorne geht traditionell Ass Ba. Der 53-Jährige trägt ein Schild, auf dem "Der kleinste Veedelszoch vun Kölle" steht. "Ich gehe ganz langsam und muss darauf achten, dass der Abstand zwischen den Gruppen nicht zu groß wird", sagt er. "Karneval ist mein Ding, ich liebe das."

Es gibt auch eine Tanztruppe, die Funky Funken. Trainiert wurde im Wohnzimmer von Jungfrau Susanne, die eigentlich Martin heißt, aber mit der blonden Perücke und dem ganzen Make-up nur als Mann zu erkennen ist, weil der breitbeinige Gang im roten Samtkleid so gar nicht feminin ist. Mit beiden Händen wirft die Jungfrau später im Zoch die Kamelle ins Volk und strahlt. Das Kinderdreigestirn steht auf einem Anhänger und wird von einem Mann mit Schnörres und Zipfelmütze auf einem Rasenmäher durch die Straße gezogen. Prinz Sophie, Jungfrau Lea und Bauer Leon haben vorher noch Pommes gefuttert in der Hofburg.

Weil die Stimmung in der Straße so gut ist, kommen mittlerweile auch Zochbesucher aus anderen Stadtteilen. "Die sind natürlich willkommen, aber ehrlich gesagt wollen wir gar nicht, dass das hier alles größer wird", sagt Manfred Linke. Der Fotograf hält alles für die Ewigkeit fest an diesem Samstag. "Das soll der kleinste Zoch bleiben." Und aufhören werden die Bewohner der Schulze-Delitzsch-Straße erst, wenn sich niemand mehr fürs Dreigestirn findet.

(hsr)