Köln Dämonen und wilde Fabelwesen

Köln · Die 123 Wasserspeier des Kölner Dom entführen in eine besondere Fantasiewelt. Da die Figuren hoch am Gotteshaus ihren Platz haben, sind sie nicht leicht zu erkennen. Ein neuer Bildband stellt diese aus der Nähe vor.

 Wilde Wesen wurden in den Wasserspeiern festgehalten. Gezeigt werden aber auch Tiere wie Wildschweine, Wölfe oder Löwen. Dazu kommen menschlich Wesen, die mit ihren Lastern am Dom in Stein gehauen wurden.

Wilde Wesen wurden in den Wasserspeiern festgehalten. Gezeigt werden aber auch Tiere wie Wildschweine, Wölfe oder Löwen. Dazu kommen menschlich Wesen, die mit ihren Lastern am Dom in Stein gehauen wurden.

Foto: Klaus Maximilian Gierden

Mit bloßem Auge sind ihre Details von der Domplatte aus nur schwer erkennbar. Dabei sind die 123 Wasserspeier am Kölner Dom doch faszinierende Wesen, die den Betrachter in eine grandiose Fantasiewelt entführen, wo Dämonen, Teufel, wilde Tiere und gebannte Mischwesen das Sagen haben. Sie blicken aus großer Höhe von Strebepfeilern und Mauern der großen Kathedrale herab auf die Menschheit. Ihre vorrangige Aufgabe ist es, die zerstörerische Kraft des Regenwassers vom Mauerwerk und von den empfindlichen Fenstern des Doms fernzuhalten. Damit sie das Wasser möglichst weit vom Bauwerk weg speien wurden die Regenrinnen so konstruiert, dass diese je näher sie den Speiern kommen, immer dünner werden. So kann sich der Wasserdruck aufbauen und das Mauerwerk bleibt weitgehend trocken.

Entstanden sind die ersten Wasserspeier in einer Zeit, in der der Dämonenglaube weit verbreitet war. So hatten diese im Mittelalter über ihre eigentliche praktische Funktion hinaus eine hohe symbolische Bedeutung. Zum einen sollte das Böse überwunden werden, indem es in den Dienst der Kathedrale gezwungen wurde - was die vielen Hexen, Drachen, Dämonen und Teufel unter den Wasserspeiern erklärt.

Dazu kommt eine apotropäische Funktion. Das heißt, man wollte das Böse vom Bauwerk abhalten, indem man ihm den Spiegel vorhielt. Hinzu kam, dass man mit einer Kathedrale im Mittelalter den gesamten Kosmos darstellen wollte, wozu auch das Böse gehört. Gezeigt werden auch menschliche Wesen, die vom Laster gekennzeichnet sind. Dazu kommen Mischwesen wie Harpyien oder Schlangenfrauen sowie mehr oder weniger wilde Tiere. So finden sich am Kölner Dom auch Geißböcke, Wildschweine, Löwen, Hunde, Affen, Wasserbüffel und Wölfe.

Orientierten sich die Wasserspeier im 19. und 20. Jahrhundert noch stark an den mittelalterlichen Originalen, waren die Steinmetze der Dombauhütte nach dem Zweiten Weltkrieg, in dem viele der Figuren zerstört worden sind, sehr viel freier - und schufen moderne Wasserspeier wie das Maschinenmonster mit Kind.

Auch nackte Tatsachen wurden als Wasserspeier verarbeitet. So gibt es einen nackten König im Bereich des Dreikönigenportals, der an das Märchen von des Kaisers neuen Kleidern erinnert. Noch deutlicher wird Theo Heiermann bei seiner "Dicken Berta" am Nordquerhaus, die splitterfasernackt nach einem lebenden Modell geschaffen worden sein soll.

Ein politisches Denken steht hinter den satten und hungrigen Völkern, dargestellt in einem Zierwasserspeier, der die ungerechte Verteilung des Reichtums in der Welt zeigt. Eine weitere Figur trägt den Titel "Rechenschaftsbericht" und stellt den Steinmetz Heinrich Wingender dar, der mit aufgeschlagenem Notizbuch Rechenschaft über seine Tätigkeit als Betriebsratsvorsitzender ablegt.

Der Kölner Fotograf Klaus Maximilian Gierden hat die Wasserspeier in seinem neuen Bildband auf die Erde geholt. Er war bei Wind und Wetter am Dom mit seiner Kamera unterwegs, um die Schwarz-Weiß-Fotografien zu erstellen. "Mich haben die Wasserspeier aus den vielen Jahrhunderten auf Anhieb interessiert - auch, weil sie von unten oft so schwer einsehbar sind. Die Aufnahmen wurden alle mit großer Brennweite vom Boden aus gemacht", verrät Gierden. Sein erster Wasserspeier war ein Kartenspieler, der bei winterlichen Minusgraden einen mächtigen Eiszapfen in seinem Mund hatte.

(RP)
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