Kölner Bestseller-Autor Christian Huber „Ich finde mich nicht witzig. Null.“

Köln · Der Autor Christian Huber hat irgendwann angefangen, Alltägliches zu twittern - und damit einen Nerv getroffen. Mehr als 40.000 Follower und Jan Böhmermann wurden auf ihn aufmerksam. Nun erscheint sein drittes Buch.

 „Quatsch ins Netz schreiben“: Christian Huber

„Quatsch ins Netz schreiben“: Christian Huber

Foto: Joseph Strauch

Mit 280 Zeichen lassen sich lustige Mini-Geschichten erzählen. Etwa diese hier: „Hi, ich heiße Christian, stehe mit Wischtüchern im Fitnessstudio und habe vielleicht gerade meine Trinkflasche in die Mülltonne geworfen.“ Oder die nach der denkwürdigen Pressekonferenz der FC-Bayern-Führung: „Sorry, falls Whatsapp gleich abstürzt. Ich bin in meinem Freundeskreis der einzige Bayernfan und bekomme gerade 7000 Häme-Nachrichten.“

Christian Huber twittert als „Pokerbeats“ Quatsch ins Netz, wie er sagt. Der Unsinn funktioniert hervorragend - Huber hat auf Twitter inzwischen fast 43.000 Follower. Vermutlich mögen die an ihm, dass seine kleinen Alltagsgeschichten nicht weit entfernt sind von ihren eigenen Leben. Einkaufen im Discounter, Warten auf die S-Bahn, weiße Wäsche waschen wollen – aber nie mehr als vier Teile zusammenkriegen. Er erzählt mit seinen Tweets „Geschichten, ohne sie zu zeigen“, wie er sagt. Kurzfilme im Kopf. Gelernt hat er das bei einem Radiosender in Regensburg bei seiner Ausbildung zum Werbetexter und Radioproduzent. Auf seinem Twitter-Account erzählt er aber nicht nur Geschichtchen. Zwischendurch setzt er auch Gedanken ab wie: „Cascada und Zafira. Opel nennt seine Autos wie Eltern in Hürth ihre Kinder.“

Huber ist vor zweieinhalb Jahren von Berlin nach Köln gezogen, er ist 34 Jahre alt und verdient sein Geld als Autor bei der „bildundtonfabrik“ in Ehrenfeld, die unter anderem Jan Böhmermanns Late-Night-Show „Neo Magazin Royale“ produziert.

Das neue Weihnachtsbuch

 Cover des neuen Buchs: Alle anderen können einpacken.

Cover des neuen Buchs: Alle anderen können einpacken.

Foto: Verlag

Huber landete im vergangenen Jahr aber auch einen Bestseller mit seinem zweiten Buch „7 Kilo in 3 Tagen“ – einer „modernen Weihnachtsgeschichte“, wie er sagt. Seit dem heutigen Dienstag ist sein neues Buch auf dem Markt: „Alle anderen können einpacken. Über Weihnachten nach Hause.“ Im Mittelpunkt steht wie im ersten Weihnachtsbuch Bastian, der eigentlich zu Weihnachten nur nach Hause fährt, um seiner Familie zu sagen, dass er Heiligabend woanders feiert: Bei den Eltern seiner neuen Freundin. „Das Problem ist: Ihre Eltern halten Bastian für einen Vollidioten. Er hat von Anfang an verloren“, sagt Huber.

Eine der besten Szenen des Buchs ist die: Bastian hockt mit dem Vater seiner Freundin im Wohnzimmer und „Pretty Woman“ läuft. Die Stimmung zwischen den Männern ist eisig und es gilt, eine Sexszene zwischen Julia Roberts und Richard Gere schweigend und einigermaßen souverän zu überstehen. „Ich bin kurz davor, mich selbst mit meiner Couchunterlagendecke zu ersticken“, denkt Hubers Ich-Erzähler Basti. Um die höllische Stille zu durchbrechen, bietet er dem Vater das Du an, der willigt aus Versehen ein - „und wir schütteln uns die klatschnassen Hände.“ Fünfeinhalb Seiten nimmt die Szene im Buch ein, der Leser leidet mit Basti und wünscht sich, irgendjemand möge dem Jungen die Fernbedienung zuwerfen, damit er so tun kann, als würde er versehentlich umschalten.

Das Multitalent

Fünfeinhalb Buchseiten statt 280 Twitter-Zeichen für eine Szene: Christian Huber mag genau diesen Gegensatz. „Ich finde es toll, für ein Buch eine Welt zu erfinden, in der sich die Leser mit meinen Figuren identifizieren können, mitfiebern, wissen wollen, wie es mit ihnen weitergeht“, sagt er. „Darüber darf ich gar nicht so viel nachdenken, sonst hemmt mich das beim Schreiben.“ Früher komponierte Huber Songs, unter anderem für die deutschen Rapper Casper, Farid Bang und KC Rebell. Acht Jahre lebte er davon, hat fünf Platin-Platten zu Hause. Aber Berlin und die Musiker-Szene waren ihm irgendwann zu anstrengend, sagt er.

Jan Böhmermann ist vor drei Jahren über Twitter auf ihn aufmerksam geworden und fragte, ob er nicht als externer Autor für ihn arbeiten will. Inzwischen ist Huber einer von sieben festen Autoren im Team. In derselben Woche kam die Anfrage einer Zeitung für eine Kolumne und ein Verlag wollte wissen, ob Huber nicht ein Buch schreiben wolle. „Das war verrückt“, sagt er. „Du schreibst lauter Quatsch ins Netz und auf einmal kannst du davon leben – das ist schon unfassbar.“ Anfangs arbeitete er von Berlin aus für das „Neo Magazin Royale“. „Als externer Autor erfährt man meistens erst, wenn die Sendung läuft, ob einer der eingeschickten Gags dabei ist. Ich saß dann immer vorm Fernseher und hab mitgefiebert wie beim Fußballspiel.“

Aufgewachsen ist Huber im bayerischen Klardorf, einem Ort im Landkreis Schwandorf. „Ich bin zwischen Fußballplatz und Feuerwehrheim groß geworden. Ohne Humor ging das nicht“, sagt er. Bei seinem jüngsten Eltern-Besuch im Sommer twitterte er: „In meinem Heimatdorf bist du mit Rollkoffer auf jeden Fall eine Sensation.“

Auch wenn er mit seinen Gags jede Woche Jan Böhmermann versorgt, wundert er sich bei der Aufzeichnung immer noch darüber, wenn die Leute tatsächlich darüber lachen. „Ich finde mich selbst nicht witzig. Null. Aber so geht es den meisten Autoren bei uns im Team. Zerfressen von Selbstzweifeln.“ Er lacht. „Ich versteh nicht, wie man der festen Überzeugung sein kann, dass das, was man macht, gut ist.“

Es wirkt nicht wie Koketterie, wenn er das sagt, sondern uneitel. Der Kölner Fernsehmoderator Micky Beisenherz schrieb zur Veröffentlichung des neues Buchs: „Ich wünsche Christian Huber ein langweiliges Leben – er macht so viel Komisches draus.“

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort