Prozess nach Vergewaltigung in Köln Der Fußballabend, den es nie gab

Köln · Sie hatten einem Vergewaltiger ein falsches Alibi verschafft und standen nun selbst vor Gericht: Das Kölner Landgericht hat am Dienstag zwei Frauen und zwei Männer wegen Falschaussage verurteilt.

Zwei der Angeklagten mit den Verteidigern Tobias Westkamp (vorne) und Wolfgang Kurtenbach.

Zwei der Angeklagten mit den Verteidigern Tobias Westkamp (vorne) und Wolfgang Kurtenbach.

Foto: RPO/Claudia Hauser

Es ist fast fünf Jahre her, da beschlossen zwei Frauen und zwei Männer in Köln, ihrem Freund Stephan P. zu helfen. Sie wollten dem damals 29-Jährigen ein Alibi verschaffen, um ihn vor einer Verurteilung zu bewahren. Und standen nun selbst vor Gericht – wegen Falschaussage.

Stephan P. war damals wegen schwerer Vergewaltigung angeklagt. Seine Freunde – unter ihnen auch seine Ex-Freundin – sagten im Prozess vor dem Kölner Landgericht im Herbst 2015 aus, sie seien am Tattag, dem 16. Juni 2014, die ganze Nacht mit Stephan P. in dessen Wohnung gewesen. Zusammen habe man sich erst ein WM-Fußball-Spiel angeschaut, dann bis in den frühen Morgen an der Playstation gezockt.

Doch die Freunde haben gelogen. Stephan P. war nicht in seiner Wohnung, den gemeinsamen Fußballabend gab es nicht. Er sprach in jener Nacht eine junge Frau auf dem Bahnsteig eines S-Bahnhofs in Köln-Longerich an. Die 18-Jährige hatte ihren Freund besucht und wollte nach Hause. Stephan P. packte sie von hinten und drückte ihr ein Tuch vor Mund und Nase, das mit einer stechend riechenden Flüssigkeit getränkt war – so beschrieb die Frau es den Ermittlern. In Todesangst und vor lauter Panik, ohnmächtig zu werden, ließ die Abiturientin alles über sich ergehen, nachdem der Täter gedroht hatte, sie umzubringen, wenn sie sich weiter wehre. Sie hatte noch versucht, durch Schreie auf sich aufmerksam zu machen. Doch außer ihr und dem Täter war niemand an der Haltestelle. Stephan P. zwang sie zum Sex. Danach stieg er in ein Taxi, wie die Frau beobachten konnte. Der Taxifahrer wurde im Prozess später zu einem wichtigen Zeugen.

Stephan P. wurde im Dezember 2015 wegen besonders schwerer Vergewaltigung zu fünf Jahren und fünf Monaten Haft verurteilt. Eine DNA-Spur hatte ihn überführt, aber auch einige weitere Indizien. Die 18-Jährige hatte ihn sehr gut beschrieben, ihr war außerdem das altmodische Mobiltelefon des Mannes aufgefallen, das ihm aus der Tasche gefallen war. Auch der Taxifahrer erkannte Stephan P. wieder.

Die vermeintlichen Entlastungszeugen stellten sich als Lügner heraus. „Ihre Aussagen waren widersprüchlich“, sagt die Vorsitzende Richterin, die den Vergewaltigungsprozess geführt hat, am Dienstag. Als sie damals Stephan P.s Freundin damit konfrontierte, dass seine DNA beim Opfer sichergestellt werden konnte, habe die ihr erklären wollen: „Es ist ja möglich, dass mehrere Personen mit derselben DNA existieren.“

Im Verfahren wegen Falschaussage zeigen sich am Dienstag alle vier Angeklagten geständig – und versuchen zu erklären, warum sie für ihrem Freund gelogen haben. Seine damalige Freundin, heute 34 Jahre alt, lässt über ihren Anwalt Tobias Westkamp mitteilen: „Sie konnte sich überhaupt nicht vorstellen, dass er so etwas gemacht hat, sie hat ihn ja ganz anders kennengelernt.“ Deshalb habe sie Partei für Stephan P. ergriffen, sie habe ihm schlicht geglaubt, dass er das Mädchen nicht vergewaltigt habe. Ein anderer Angeklagter spricht von Gruppendynamik, der dritte von einem gewissen Pflichtgefühl, das er P. gegenüber verspürt habe: „Ich war damals obdachlos, er hat mich oft bei sich schlafen lassen, mir ein Dach über dem Kopf gegeben“, sagt der 35-Jährige. Die beiden angeklagten Männer werden zu je 1000 Euro Geldstrafe verurteilt, Stephan P.s Ex-Freundin muss 900 Euro bezahlen.

Auch die vierte Angeklagte (31) log offenbar aus Liebe. Sie sagt, Stephan P. sei ihr „Traummann“ gewesen. Auch sie war mal mit ihm zusammen. Das Gericht verurteilt sie zu einer zehnmonatigen Bewährungsstrafe, sie steht aktuell unter laufender Bewährung.

Alle schauen nicht so recht hin, als Stephan P. von Wachtmeistern in den Saal geführt wird. Er sitzt seine Strafe in der JVA Aachen ab, soll im Verfahren als Zeuge gehört werden, verweigert aber die Aussage. Die Ermittlungen gegen ihn wegen Anstiftung zur Falschaussage waren eingestellt worden. Kontakt haben seine ehemaligen Freunde nicht mehr zu ihm, wie sie sagen.

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