Aus Abschiebehaft entlassen Kölner Koch Habib K. darf bleiben

Köln · Habib K. lebt seit rund zehn Jahren in Deutschland und hat sich von der Küchenhilfe zum Chefkoch in einem Kölner Restaurant hochgearbeitet. Am Donnerstag wurde er verhaftet, ihm drohte die Abschiebung – am Freitagnachmittag erteilte ihm die zuständige Ausländerbehörde überraschend eine befristete Aufenthaltserlaubnis.

 Auch viele Bestellungen waren für Habib K. als Küchenchef in der Kölner „Bagatelle“ kein Problem.

Auch viele Bestellungen waren für Habib K. als Küchenchef in der Kölner „Bagatelle“ kein Problem.

Foto: Daniel Rabe

Daniel Rabe ist am Freitagmittag auf der Rückfahrt von Büren, als er das Telefonat annimmt. Dort, im Süden des Kreises Paderborn, sitzt Habib K., langjähriger Mitarbeiter seines Restaurants in Köln, in Abschiebehaft. Rabe hat versucht, mit ihm zu sprechen, doch der Zugang wurde ihm verwehrt. „Wir durften ihm ein paar Zigaretten da lassen, das ist alles“, sagt er, der Frust in seiner Stimme unüberhörbar. Doch er hat Hoffnung, und die wurde nicht enttäuscht: Rund zwei Stunden später teilt der Rhein-Sieg-Kreis mit, dass Habib K. sofort aus der Abschiebehaft entlassen wird. Er erhält demnach eine befristete Aufenthaltserlaubnis für die nächsten sechs Monate. Die Bedingung: Er muss einen Arbeitsvertrag vorlegen – das dürfte kein Problem sein.

Denn sein Chef Rabe setzt alles daran, Habib K. als Küchenchef in sein Restaurant „Bagatelle“ in der Kölner Südstadt zurückzuholen. Doch was war zuvor passiert?

 Habib K. (vorne mit Mütze) mit dem Team der „Bagatelle“ in Köln.

Habib K. (vorne mit Mütze) mit dem Team der „Bagatelle“ in Köln.

Foto: Daniel Rabe

Habib K. wurde am Donnerstagmorgen (24. März) in der Ausländerbehörde des Rhein-Sieg-Kreises in Siegburg festgenommen. Schon seit Jahren schwebt ein Abschiebeverfahren über ihm. Denn sein Asylantrag, den er nach seiner Einreise aus Bangladesch im Dezember 2012 stellte, wurde mehrfach abgewiesen. Geduldet wurde er dennoch – bis Donnerstag.

Rabe, der die drei Restaurants „Bagatelle“ in Köln leitet, macht das fassungslos, wie er kurz vor der Entscheidung des Rhein-Sieg-Kreises am Telefon erzählt. „Habib hat sich von der Küchenhilfe bis zum Küchenchef hochgearbeitet, sich eingebracht, die Sprache gelernt und war bei ausnahmslos jedem beliebt“, fasst er zusammen. Er erinnere sich noch genau an den Tag, als Habib in seinen Laden „gestolpert“ kam. „Er hat gefragt, ob wir Arbeit für ihn hätten, wirkte aber sehr schüchtern“, erzählt Rabe. „Ich dachte, ohje, das wird im Leben nichts.“ Eine Chance gab er ihm trotzdem – und die hat Habib offensichtlich genutzt. Er stieg als Spüler ein, kümmerte sich irgendwann auch um Salate, dann um warme Speisen und kletterte so peu à peu die Leiter bis zum Küchenchef hoch. „Da brauchen andere 18 Jahre für“, sagt Rabe.

Rund vier Jahre hat Habib K. insgesamt in der Küche der Bagatelle in der Kölner Südstadt gearbeitet, bis er 2018 nach Bangladesch abgeschoben werden sollte. Auch damals haben sich Rabe und sein Team für Habib K. eingesetzt und bekamen große Unterstützung, auch aus der Lokal- und Bundespolitik. Letztlich wurde er damals nicht abgeschoben, doch seine Arbeitserlaubnis wurde ihm entzogen – obwohl Rabe nach eigenen Angaben mehrfach Bescheinigungen eingereicht hat, dass Habib K. sofort wieder in Vollzeit in der Bagatelle anfangen könne.

Das hat offensichtlich zunächst nicht gereicht, auch nicht die Sprachkenntnisse, die er sich angeeignet hat und ebenso wenig die beiden Ehrenämter in einer Kölner Kirchengemeinde und bei der Caritas.

Warum aber sollte er jetzt abgeschoben werden? Die Ausländerbehörde des Rhein-Sieg-Kreises begründete das am Donnerstag gegenüber unserer Redaktion damit, dass „wegen seiner jahrelangen Verweigerungshaltung im Passbeschaffungsverfahren nicht davon auszugehen ist, das er eigenständig ausreist“. Die Mitarbeiterin warf Habib K. auch vor, „zunächst gefälschte Papiere vorgelegt“ und die „Herausgabe seiner Geburtsurkunde über Jahre verweigert“ zu haben.

Diese Aussagen machen Rabe erneut fassungslos. „Wenn ein 17-Jähriger aus seiner Heimat flieht und dann in Deutschland vor einer Reihe von Beamten lückenlos seine Fluchtgeschichte erzählen soll und dabei ein einziges Detail vergisst – dann wird ihm das Jahre später noch als Fälschung angelastet“, sagt der Restaurantchef. Und auch für die fehlenden Papiere gibt es für Rabe eine naheliegende Erklärung: Habib K. gehört, wie er selbst sagt, der Minderheit der Bihari an. Diese gelte in Bangladesch als staatenlos, Grund sind religiöse Konflikte zwischen der hinduistischen Minderheit und des hauptsächlich vom Islam geprägten Bangladesch. „Natürlich hat die Botschaft von Bangladesch wenig Interesse daran, Habib K. bei der Beschaffung seiner Papiere zu unterstützen“, sagt Rabe. Er berichtet außerdem von der großen Angst, die Habib K. seitdem ständig begleite, wieder in seine Heimat zurückkehren zu müssen. „Das ist für ihn einfach nicht vorstellbar.“

Die Betroffenheit im Team der Bagatelle und im Umfeld von Habib K. war groß. Rabe startete eine Petition gegen die Abschiebung, der sich bis Freitagmittag bereits mehr als 25.000 Menschen angeschlossen haben. Auch der stellvertretende Ministerpräsident und Integrationsminister Joachim Stamp (FDP) brachte in einem Facebook-Kommentar seine Unterstützung zum Ausdruck: „Ich lasse den Fall von meinem Ministerium umgehend überprüfen“, heißt es darin. Pfarrer Hans Mörtter von der Lutherkirche Südstadt, der Gemeinde, in der sich Habib K. ehrenamtlich engagierte, äußert sich am Freitag in einer Videobotschaft auf Facebook: „Wahnsinn, wie schnell die Unmenschlichkeit um die Ecke kommt.“ Habib K. habe Talent, Fähigkeiten und „er will lernen, lernen, lernen“.

Rabe zählt auf Habib K., er brauche ihn in seinem Team. Er freut sich über die große Unterstützung. Ob sie reicht, weiß er zum Zeitpunkt unseres Gesprächs noch nicht. Doch kurz bevor er auflegt, erwähnt er neun verpasste Anrufe auf seinem Handy, einer davon vom Land Nordrhein-Westfalen. „Es besteht Hoffnung“, sagt er. Und er sollte Recht behalten.

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