Prozess wegen Terrorvorwurf Kölner Demirci hofft auf Heimreise

Es ist einer der prominentesten verbliebenen Prozesse gegen einen Deutschen in der Türkei. Der Kölner Adil Demirci steht am Dienstag wieder vor Gericht in Istanbul. Ein Gespräch über die Hoffnung, sein Leben zurückzubekommen, und den Alltag im türkischen Gefängnis.

 Der Kölner Adil Demirci sitzt in Istanbul einem Café am Tisch.

Der Kölner Adil Demirci sitzt in Istanbul einem Café am Tisch.

Foto: dpa/Christine-Felice Röhrs

Ein Jahr lang geht das schon so - ein ausgebremstes Leben. Zuerst zehn Monate türkische Untersuchungshaft, dann die Ausreisesperre und nun Gerichtsverhandlungen: Der Kölner Sozialarbeiter Adil Demirci erhofft sich von der Fortsetzung seines Prozesses am Dienstag die Erlaubnis heimzufliegen. „Ich hoffe natürlich, dass der Richter die Ausreisesperre aufhebt“, sagt er der Deutschen Presse-Agentur kurz vor dem Verhandlungstermin in Istanbul.

Der Prozess dreht sich um einen der prominentesten verbliebenen Fälle gegen einen Deutschen wegen Terrorvorwürfen in der Türkei. Eine ganze Serie ähnlicher Fälle hatte ab 2017 die deutsch-türkischen Beziehungen schwer belastet. Viele prominente U-Häftlinge wie der „Welt“-Reporter Deniz Yücel oder die Übersetzerin Mesale Tolu sind seitdem freigekommen und ausgereist. Demirci wurde Mitte Februar aus der U-Haft entlassen. Istanbul durfte er aber nicht verlassen.

Ein paar Tage vor dem dritten Prozesstermin ist Demirci zum Gespräch in die deutsch-türkische Buchhandlung an der Istiklal-Straße gekommen. Demirci wirkt wie ein grundstabiler Mensch, aber er macht sich Sorgen um seine Mutter, die in Deutschland lebt. Sie hat Gallenwegskrebs. Seine Anwälte werden am Dienstag zusammen mit dem Antrag auf Aufhebung der Ausreisesperre auch ein übersetztes Attest ihrer Ärzte einreichen.

Er habe seit seiner Freilassung „viel Zeit mit Freunden und Familie verbracht, um zu verarbeiten, was passiert ist“, sagt Demirci. „Die ersten Monate im Gefängnis waren sehr schwer. Ich wusste ja nicht, wieso ich da war. Erst nach vier Monaten kam die Anklageschrift - und da wurde es nicht besser. Da habe ich mich gefragt: Wieso sitze ich nun deswegen? Die Polizei hatte die Veranstaltungen doch genehmigt.“

Demirci war im April 2018 im Urlaub festgenommen worden. Die Staatsanwaltschaft wirft ihm Mitgliedschaft in der linksextremen Marxistisch-Leninistischen Kommunistischen Partei vor. Die MLKP gilt in der Türkei als Terrororganisation. Die Anklage datiert ihre Vorwürfe zurück in die Jahre 2013 bis 2016. Damals hatte Demirci teilweise in der Türkei gelebt und überlegt, ob er dort auch seinen Doktor der Sozialwissenschaften machen soll.

Damals ging er auch zu Beerdigungen von türkischen „Linken“: unter ihnen Mitglieder der MLKP, die in Nordsyrien an der Seite der kurdischen Miliz YPG gegen die Terrormiliz IS gekämpft hatten. Demirci hat väterlicherseits kurdische Wurzeln. Einmal, 2013, sei er da zufällig hineingeraten, sagt er. Später ging er bei Kollegen der linken Nachrichtenagentur Etha mit, für die er vor allem als Übersetzer arbeitete, wie er sagt. Die Beerdigungsbesuche stehen nun als Beweis für seine angebliche terroristische Gesinnung in der Anklageschrift.

Die Anklage macht ihn „sehr traurig“, sagt Demirci. Sie entfremde ihn dem Land, das er wie Deutschland als Heimat ansieht. „Die Option, hier zu leben und meinen Doktor hier zu machen, ist jetzt weg. Nicht in dieser politischen Situation.“

Demirci traut sich immer noch, kritische Dinge zu sagen. „Seit 2015, 2016 hat nicht mehr nur die pro-kurdische Linke Probleme (mit Kritik an der Regierung) - jetzt ist es gesamtgesellschaftlich geworden“, sagt er. „Ich habe das im Gefängnis gesehen, wo so viele unterschiedliche Charaktere saßen. Gemeinsam hatten sie nur, dass sie regierungskritisch waren. Das ist sehr gefährlich und sehr traurig.“

Er habe versucht, „stark zu bleiben“ im Gefängnis, sagt Demirci. „Es hat geholfen, den Tag durchzuplanen.“ Jeden Morgen sei er um 7.00 Uhr aufgestanden und habe erstmal Nachrichten geschaut. Es gab einen Fernseher in der Zelle, die doppelstöckig war. Oben drei Betten, unten Bad, Tisch, Stühle. Um kurz nach 8.00 Uhr sei die Tür zum Hof aufgegangen. „Der war acht Schritte mal vier Schritte groß. Da sind wir dann ein bisschen gejoggt. Aus zwei Fünf-Liter-Wasserflaschen und einem Besenstiel dazwischen haben wir eine Hantel gemacht.“

Am schwierigsten sei der Kontrollverlust gewesen, sagt Demirci. Und auf andere angewiesen zu sein. „Ich hatte da aber echt viel Glück mit Familie, Freunden und meinem Arbeitgeber.“ Der Internationale Bund, für den Demirci in Remscheid mit jugendlichen Migranten gearbeitet hat, zahlt sein Gehalt weiter, und seine Wohnung in Köln-Mühlheim hat er auch noch. „Mein Leben wartet darauf, dass ich zurückkomme.“

(top/dpa)
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