Kleve XOX: Firmengeschichte unterm Hammer

Kleve · Alles musste raus – es war das letzte Kapitel in der einst glorreichen Firmengeschichte der Biskuitfabrik im Klever Ortsteil Kellen. Am 29. und 30. November 1977 wurde das bewegliche Inventar der Firma XOX-Nabisco (National Biscuit Co.) versteigert.

 Gute Miene zum bösen Spiel: Die Tage für die Beschäftigten bei der Firma XOX sind gezählt, das Inventar wird versteigert.

Gute Miene zum bösen Spiel: Die Tage für die Beschäftigten bei der Firma XOX sind gezählt, das Inventar wird versteigert.

Foto: Gottfried Evers

Alles musste raus — es war das letzte Kapitel in der einst glorreichen Firmengeschichte der Biskuitfabrik im Klever Ortsteil Kellen. Am 29. und 30. November 1977 wurde das bewegliche Inventar der Firma XOX-Nabisco (National Biscuit Co.) versteigert.

 In einer ausgeräumten XOX-Halle wurden 2163 Positionen zum Kauf angeboten.

In einer ausgeräumten XOX-Halle wurden 2163 Positionen zum Kauf angeboten.

Foto: Evers, Gottfried

Der Parkplatz vor dem Werk war überfüllt, das erinnerte an die Hochzeiten der XOX, als Hunderte Beschäftigte hier in der Plätzchenbäckerei ihr Brot verdienten. Die Schnäppchenjäger waren gekommen, um vom Untergang der Firma zu profitieren. Bis auf die Gebäude und das Werksgelände von 65 000 Quadratmetern kam alles unter den Hammer. 2163 Positionen — vom Holzstuhl bis zur Backstraße im Wert von mehreren Hunderttausend Mark — sollten in der Versteigerung neue Besitzer finden.

In einer ausgedienten Produktionshalle hatte der Hamburger Auktionator 1000 Stühle aufstellen lassen. Während im vorderen Teil der Werkshalle eine Art "Volksfest-Atmosphäre" aufkam, trauerten die ehemaligen Angestellten in einer angrenzenden Werkskantine ihrem verlorenen Arbeitsplatz nach. Die Kantine bot Brötchen, Buletten und Gulasch an sowie Bier und Kurze, die ihre Wirkung nicht verfehlten. Die gekündigten Mitarbeiter sahen zu, wie ihre ehemaligen Arbeitsplätze an Investoren verhökert wurden. Die großen Backstraßen gingen nahezu allesamt nach Übersee.

Die letzten Zuckungen von XOX-Nabisco erreichte die "lieben Pensionäre und lieben Mitarbeiter mit unverfallbaren Ansprüchen auf Firmenpension" einige Monate nach der Versteigerung. Der letzte Gruß "ihrer" XOX enthielt damals den Zusatz "i.L.", in Liquidation. Wie Jürgen Bleisteiner in einem Cellina-Beitrag schreibt, wünschte man den Pensionären Gesundheit, dankte den Mitarbeitern für ihre Treue zum Unternehmen und verwies darauf, dass alle mit Ansprüchen sich jetzt an die "Alte Leipziger" wenden müssten, die die Direktversicherung übernommen habe.

Im Juni 1977 hatten die XOX-Mitarbeiter den Kündigungstermin erfahren. Ab dem 15. Juli wurden sie nicht mehr gebraucht. Dabei hatte die Betriebsleitung im März noch langjährige verdiente Mitarbeiter auf einer Jubilarfeier geehrt. Ein neuer Ofen war angeliefert worden und stand zum Auspacken bereit in der Halle. Es gab vor dem endgültigen Aus einige Signale, die nicht auf die Schließung hindeuteten. Der im Juli 1977 ausgehandelte Sozialplan sah Bruttoabfindungen bis zu 36 000 Mark vor, je nach Betriebszugehörigkeit. Insgesamt umfasste der Sozialplan 18 Millionen Euro für die zuletzt 380 Arbeiter und 72 Angestellten von XOX-Nabisco.

Auf der Suche nach Gründen für den Untergang der einst florierenden Backwaren-Fabrik wird häufig der Verkauf von XOX an den Nabisco-Konzern genannt. Bis 1969 war die holländische Familie van der Loeff Eigentümer der XOX. Die Produktpalette bestand damals aus Biskuits, Waffeln, Käse- und Salzgebäck, Zwieback, Toffees und Bonbons.

Der neue US-amerikanische Eigentümer änderte unter anderem die Rezepturen, die, so der Vorwurf, völlig am deutschen Markt vorbeigingen. Stimmen wurden laut, die behaupteten, dass Nabisco mit der Philosophie "Mehl reinschmeißen und unten müssen Plätzchen rauskommen" operiert habe. Die Qualität sei verloren gegangen. Diskutiert wurde auch, ob Nabisco die XOX nur gekauft habe, um durch Nichtstun eine Marktbereinigung vorzunehmen. Das Letzte, was Nabisco schließlich in den XOX-Hallen vornahm, war die Versteigerung. Es war das bittere Ende der Biskuitfabrik.

(RP/rl)
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