Kreis Kleve Wohlgefühl für Zellen

Kreis Kleve · Die Hochschule Rhein-Waal wächst. Präsidentin Marie-Louise Klotz baut die Lehre und Forschung aus. Die Redaktion stellt in einer Reihe die "Neuen" vor: Neil Shirtcliffe ist Professor für Bionik mit Schwerpunkt biomimetische Materialien.

 Der Brite Neil Shirtcliffe forscht an der Verbesserung von Implantaten und entwickelt mit Kollegen einen Kunstrasen, der ohne Granulat auskommt.

Der Brite Neil Shirtcliffe forscht an der Verbesserung von Implantaten und entwickelt mit Kollegen einen Kunstrasen, der ohne Granulat auskommt.

Foto: Evers

Neil Shirtcliffe kommt aus Norfolk, England. Dort, wo seit dem 5. Jahrhundert die Angeln siedelten. Eine ur-englische Gegend, flach, von Hecken durchzogen. Es regnet häufig in Norfolk, das Meer ist nicht weit. "Es ist sehr ähnlich, wie am Niederrhein — ich fühle mich also gar nicht fremd hier", sagt der promovierte Chemiker und Professor für Bionik mit dem Schwerpunkt biomimetische Materialien an der Hochschule Rhein-Waal (HRW).

Deutschland kennt der Brite gut. Nach der Promotion war er zwei Jahre an der Uni Erlangen, forschte über Werkstoffe. Es folgte das Düsseldorfer Max-Planck-Institut. Dann zog er mit seiner deutschen Frau wieder nach England — wo er in Nottingham lehrte und forschte. Unter anderem an Flechten, die nicht nur da wachsen, wo die Luft gut ist, wie er feststellte.

Auch Prof. Dr. Kerstin Koch forschte an Flechten, damals noch an der Uni in Bonn — man kannte sich schon länger. Dann erzählte ihm Kerstin Koch von ihrer neuen Stelle in Kleve, dort an der Hochschule in Deutschland, wo in Englisch unterrichtet werde und es ein ganz fantastisches, ganz neues Elektronenmikroskop gebe.

Shirtcliffe bewarb sich an der Hochschule Rhein-Waal und bekam die Stelle. Jetzt wohnt er in Bedburg-Hau und lehrt in Kleve. Neben der Lehre forscht er an der Verbesserung von Implantaten, Bio-Materials, wie sie im englisch-sprachigen Raum genannt werden.

"Eigentlich ist Titan, aus dem die Implantate gefertigt sind, zu gut. Man bräuchte Material, das dem menschlichen Knochen ähnlicher ist, weniger hart", sinniert er. Bis jetzt wird das Titan aufgeraut, damit die Zellen es besser annehmen. Shirtcliffe und seine Kollegen arbeiten an einer chemischen Beschichtung des Materials, die das Implantat für den menschlichen Körper noch verträglicher machen soll.

"Die Zellen sollen sich wohlfühlen, das Material nicht als fremd abstoßen", erklärt der Professor. Für das richtige Wohlgefühl soll die Beschichtung sorgen. Das gleiche gelte für Katheder — doch bei diesen Röhrchen müsse die Beschichtung genau das Gegenteil bewirken: "Man will sie ja wieder herausziehen, ohne große Schmerzen zu verursachen", sagt Shirtcliffe.

Neben den Bio-Materials (also den medizinischen Implantaten) arbeiten die Chemiker auch an Biological-Materials — das sind Dinge, die aus biologischem Material gemacht werden. Beispielsweise entwickeln sie einen Kunstrasen, der ohne Granulat (die grauen Körner, die in den Stutzen hängen) auskommt. Wieder andere Wissenschaftler arbeiten an Textilien, daran, wie man Kunstfasern verbessern kann.

Der HRW-Studiengang Biomaterials, an dem Shirtcliffe lehrt, basiert auf dem Berufsbild des Werkstoff-Wissenschaftlers oder des Material-Experten, der an der Entwicklung und Produktion nahezu aller Produkte des täglichen Lebens beteiligt ist: Auto, Flugzeug, Möbel, Freizeit, Lebensmittelindustrie, Medizin und Pharmazie, Textil, IT. Die künftigen Abgänger der HRW werden dafür verantwortlich sein, dass der richtige Werkstoff für das richtige Produkt eingesetzt wird, sagt Shirtcliffe.

Ab kommenden Wintersemester 2012/13 wird die Hochschule auch einen dreisemestrigen Master-Studiengang "Bionics/Biomimetics" anbieten.

(RP)
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