Kleve Wirtschaft verkennt Chancen

Kleve · Menschen mit Behinderung haben Potenzial: Sie sind starke Kräfte für den Arbeitsmarkt. Haus Freudenberg erörterte mit dem Unternehmerverband die Zukunft. Beschäftigungspakt für Menschen mit Behinderung gefordert.

 Besichtigen behindertengerechte Küchen, die Haus Freudenberg baut (von links): Gerd Tönnihsen, Werner Morbitzer, Elisabeth Schulte und Theo Voß.

Besichtigen behindertengerechte Küchen, die Haus Freudenberg baut (von links): Gerd Tönnihsen, Werner Morbitzer, Elisabeth Schulte und Theo Voß.

Foto: Stade, Klaus Dieter

Es ist an der Zeit. Zeit, Augen und Türen zu öffnen. Denn: "Unternehmen begreifen wegen fehlender Kenntnisse vielfach noch nicht, welches Potenzial in der Integration von Behinderten auf dem ersten Arbeitsmarkt besteht", sagt Werner Morbitzer. Er ist Prokurist bei der Metallwerk Dinslaken GmbH & Co. KG und Mitglied im Elternbeirat von Haus Freudenberg.

 Freudenberg-Mitarbeiter Guiseppe Sardo plant am Computer die Inneneinrichtungen für Küchen oder Büros in dreidimensionalen Ansichten, damit der Betrachter sich ein genaues Bild von der Raumausstattung machen kann.

Freudenberg-Mitarbeiter Guiseppe Sardo plant am Computer die Inneneinrichtungen für Küchen oder Büros in dreidimensionalen Ansichten, damit der Betrachter sich ein genaues Bild von der Raumausstattung machen kann.

Foto: K.-D. Stade

Genau darum drehten sich Besuch und Diskussion von und mit Elisabeth Schulte, Geschäftsführerin des Unternehmerverbandes Soziale Dienste und Bildung. Aus Duisburg nach Goch gereist, war die diplomierte Volkswirtin beeindruckt von den Werkstätten der Haus Freudenberg GmbH: "Ein Rundgang zeigt einmal mehr, dass Menschen mit Behinderung bei entsprechender Förderung und gutem Arbeitsklima sehr motivierte Mitarbeiter sind, die je nach ihren geistigen und körperlichen Fähigkeiten durchaus auch im ersten Arbeitsmarkt einsetzbar sind", fasst sie ihre positiven Eindrücke zusammen. Die Haus Freudenberg GmbH beschäftigt an acht Standorten im Kreis Kleve rund 2150 Menschen mit Behinderung.

Dank intensiver Bemühungen konnten im vergangenen Jahr sieben Menschen mit Behinderung auf den ersten Arbeitsmarkt vermittelt werden, 2010 waren es sogar acht. "Damit nehmen wir erneut einen Spitzenplatz im Rheinland ein", so Gerd Tönnihsen, Geschäftsführer der Haus Freudenberg GmbH. Die Vermittlungsquote liegt rheinlandweit allerdings noch bei unter 0,2 Prozent, "daran muss gearbeitet werden", ist sich Tönnihsen sicher und benennt die Forderungen deutlich: "Die Bereitschaft und das Verständnis bei den Unternehmen zur Einstellung von behinderten Menschen müssen sich grundlegend wandeln."

Er schlägt mit Blick in Richtung Politik die Durchsetzung eines Beschäftigungspakts für Menschen mit Behinderung, vergleichbar mit dem für Ältere und Langzeitarbeitslose, vor. "Ohne den und ohne das vermehrte Engagement von Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens wird sich die Einstellungspolitik in den Unternehmen nicht nachhaltig verändern", sagt Tönnihsen. Im Haus Freudenberg setzt sich Mitarbeiter Uwe Egerding dafür ein, dass Kontakte zu Unternehmen und so berufliche Perspektiven für behinderte Menschen geschaffen werden. Das Thema Inklusion im Fokus, führte Gerd Tönnihsen gemeinsam mit dem Freudenberger Prokuristen und Geschäftsbereichsleiter Holz Theo Voß die Besucher durch die Räume der Gocher Niederlassung. In einer anschließenden Diskussion tauschten sie Gedanken darüber aus, wie private Unternehmen sensibilisiert werden können, den Arbeitskräftemangel durch berufliche Eingliederung qualifizierter, behinderter Menschen zu decken.

Und das Fazit des Unternehmerverbandes? "Uns liegt daran, eine individuelle Eingliederung der Menschen mit Behinderungen in einen geeigneten Betrieb im Einzelfall durch persönliches Kennenlernen vermehrt zu erreichen", schlägt Elisabeth Schulte vor. "In Haus Freudenberg werden die Menschen auf den Einsatz in Betrieben vorbereitet. Diese Chancen für die Wirtschaft sind zu wenig bekannt. Unternehmen können wertvolle und zuverlässige Mitarbeiter, beispielsweise als Gabelstaplerfahrer oder zur Bedienung einer CNC-Maschine, unter den Menschen mit Behinderung finden."

(RP/rl)
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