Kleve "Wir müssen alle sterben"

Kleve · "Still Life" feierte Premiere im Theater im Fluss an der Ackerstraße

Dreadlocks, Wollmützen und Hornbrillen - das Publikum im vollbesetzten Theater im Fluss war auffallend jung und alternativ. Eine Zielgruppe, die Veranstalter anderer Kultursparten vergeblich anzulocken versuchen. Der amerikanische Drehbuch- und Theaterautor Alexander Dinelaris, Jahrgang 1968, hat sie erreicht: In seinem Stück "Still Life", das am Freitag in Kleve Premiere feierte, geht es um genau diese Generation, ihre Probleme, ihre Verlorenheit, ihre Suche nach sich selbst und nach dem Sinn des Lebens. Vor allem aber um das nüchterne Fazit, das an diesem Abend mehrfach laut ausgesprochen wurde: "Wir müssen alle sterben."

Eine zarte Liebesgeschichte entspann sich hier in dramaturgisch gekonnt arrangierten oder parallel laufenden Einzelszenen (Regie: Harald Kleinecke), die jeweils auf dem Höhepunkt der Spannung in der Dunkelheit verschwanden. Carrie Ann und Jeff haben beide mit Schicksalsschlägen zu kämpfen: Die erfolgreiche Fotografin (Maren Evers) hat seit dem Tod ihres Vaters keine Kamera mehr angerührt, der gut verdienende Trendforscher (Malcolm Lichtenberger) trägt traumatische Kindheitserfahrungen mit sich herum und erfährt im Laufe des Stückes eine Diagnose, die sein Leben aus der Bahn wirft.

Sehr überzeugend verkörperte Evers die charismatische, dabei zutiefst unsichere Carrie Ann (Jeff beschreibt sie liebevoll als "ein bisschen wahnsinnig"), die die Studenten der Kunsthochschule gleich zu Beginn mit einer apokalyptisch-wirren Rede verstört. Auch Lichtenberger berührte als nachdenklicher und zweifelnder Jeff, der mit wenigen eindringlichen Worten Wesentliches auszusprechen vermag.

Die beiden Liebenden umgibt ein Netz aus Freunden, Kollegen und Bekannten - großartig etwa Severin Roth als unausstehlicher und erschreckend gewissenloser Kumpel Terry, der Jeff nur deshalb zu Carrie Anns Fotoausstellung überredet, weil er von ihrem "Knackarsch" gehört hat.

Witzig und glaubwürdig auch Yvonne Campbell Körner als arrogante Dozentin Joanne, deren Freundschaft zu Carrie Ann eher einer Hassliebe gleicht. Andreas Giese als Arzt und fürsorglicher Freund Jeffs überzeugte ebenso wie die naive, unfreiwillig komische Fotostudentin Jessie (Maike Schober); Bettina Anhuf zeigte sich äußerst wandelbar in den Rollen verschiedener Flirt-Opfer des Machos Terry.

In einer herzzerreißenden Rückblende begegnet man schließlich auch Carrie Anns Vater (Heinz Rogosch) - und erfährt dabei, warum die Künstlerin seit seinem Tod nicht mehr fotografieren kann.

Es gibt noch mehrere Chancen, das Stück zu erleben. Weitere Aufführungstermine unter www.theaterimfluss.de, die nächsten sind am 22. und 23. Januar, 20 Uhr.

(RP)
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