Grüne Politik Urgestein hofft auf grünen Nachwuchs

Kalkar · Der Erfolg von „Fridays for Future“ ist nicht gleichbedeutend mit starkem Zulauf zu den Grünen, meint Willibald Kunisch aus Kalkar. Für Kalkar rechnet er ab Herbst aber mit einigen Mandaten mehr.

 Für den Kalkarer Willibald Kunisch hört der Kampf für Umwelt und Soziales nie auf.

Für den Kalkarer Willibald Kunisch hört der Kampf für Umwelt und Soziales nie auf.

Foto: Markus van Offern (mvo)

Wird 2020 das Jahr der Grünen? Muss diese Partei sich eigentlich noch um die Wähler bemühen, oder fliegen ihr die Stimmen von jetzt an automatisch zu? Unerfahrene Kommunalpolitiker könnten das so sehen und das, was sich in den vergangenen Monaten medial um die Umweltaktivistin Greta Thunberg getan hat, mit einer grundsätzlichen Besinnung der Menschen auf die Natur verwechseln. Willibald Kunisch, altgedienter Grüner aus Kalkar, glaubt an einen solchen Radikal-Umschwung nicht. Schon an neue Chancen, aber nicht an die ganz große Wende, schon gar nicht am Niederrhein. „Was wir zuletzt erlebt haben, war ein fast schon beängstigender Hype. Ich weiß nicht, wie lange der andauert, aber ganz bestimmt wird für uns Grüne die kommende Wahl kein Selbstläufer. Vor allem bleibt es schwierig, Nachwuchs zu finden, der sich intensiv einbringen möchte.“

17 Wahlkreise hat Kalkar zu besetzen. Ein Thema, das für manche kleine Wählergemeinschaft schon das erste Problem darstellt. „Das ist bei uns nicht so, es gibt schon genügend Leute, die sich auf unsere Liste setzen lassen, weil sie hoffen, dass die Grünen stärker werden. Im Rat mitarbeiten wollen allerdings die wenigsten von ihnen. Ich bin schon froh, dass sich zwei Mittdreißiger für unsere vorderen Plätze gefunden haben.“ Um wen es sich dabei handelt, will Kunisch noch nicht sagen. Erst im Frühjahr möchten er und seine Mitstreiter in den Wahlkampf einsteigen. Klar ist, dass der Wisseler weitermachen möchte, und auch die Künstlerin Christel Verhalen möchte dabei bleiben. Bislang haben außer diesen beiden Heinz Schopen und Karl-Heinz Völlings einen Platz in der Fraktion. Sechs oder sieben Mandate sollten’s im Herbst schon werden, hofft Kunisch.

Willibald Kunisch hat als „Schwarzer“ begonnen. „Ich komme aus dem Ruhrgebiet, war Mitglied der Jungen Union und während des Studiums im RCDS aktiv“, erzählt der heute 78-Jährige. In der katholischen Jugend seiner Gemeinde groß geworden, schien ihm die CDU mit ihren verwandten Gruppierungen eine naheliegende politische Heimat. Eher schleichend änderte sich seine Wahrnehmung: „In den 70er Jahren wuchs meine Skepsis gegenüber der Schwerindustrie und der Chemie, es gab Bäume, die zur Unzeit ihre Blätter verloren, die Luft war schlecht. Tatsächlich schien vielen damals sogar die Atomkraft als verheißungsvolle Technik. Nicht wenige Leute hofften, eine Art perpetuum mobile sei gefunden, weil der Schnelle Brüter ja mehr Plutonium-Brennstoff herstellen sollte, als er gleichzeitig verbrauchte…“.  

Dass Kunisch zu den Grünen kam, lang vorrangig an seinem Wechsel nach Kalkar. 1980 war er mit seiner damaligen Frau an den Niederrhein gezogen, weil er eine Stelle als Lehrer an der Klever Förderschule bekam. „Ich bin hierher gezogen, um das AKW stillzulegen“, sagt Kunisch gerne halb im Scherz. Schon, als er noch Duisburger war, hatte er sich an den Demos in Kalkar beteiligt. Kunisch wurde Gründungsmitglied der Grünen in Kalkar, was unbedingt mit der Protestbewegung gegen das Atomkraftwerk zu tun hatte. Gemeinsam mit dem Bauern Josef Maas setzte sich Kunisch an die Spitze der Bewegung. International immer lauter werdende Bedenken gegenüber der Atomkraft und einige kleinere Havarien, die der Reaktorkatastrophe von Tschernobyl vorausgingen, hatten bei so vielen Menschen große Ängste entfacht, dass die Gegenwehr riesig war. Der Landesregierung schien das Risiko ebenfalls zu hoch, um das AKW zu genehmigen – 1991 kam das endgültige Aus.

Seit 1984 gibt es in Kalkar eine Grüne Ratsfraktion, und seitdem ist Willibald Kunisch der Sprecher und der Vorsitzende des Ortsvereins. Etwa 50 Sympathisanten sieht er in Kalkar, zu wenige von ihnen seien jung, viele zogen weg, zum Beispiel zum Studium. Ob aus der Bewegung „Fridays for Future“ neue Aktive für seine Partei erwachsen – da ist Kunisch nicht allzu hoffnungsvoll. Gut sei allerdings, dass es heute genauso normal sei, Grüner zu sein, wie zu anderen Parteien zu gehören. Das war mal anders. „Noch in den 90er Jahren wurden zum Beispiel Ausbildungsplätze nur selten an ,Linke‘, von denen die Grünen wohl die schlimmsten waren, vergeben.“

Neben Umweltthemen liegen Willibald Kunisch soziale Aspekte am Herzen. Er hat sich selbst ziemlich mühen müssen, um Lehrer zu werden. „Über die Abendrealschule und den zweiten Bildungsweg bin ich zum Abitur gekommen.“ Mit 60 beendete er den Schuldienst, aber da hatte Kunisch auch schon 44 Berufsjahre  hinter sich. Dennoch engagierte er sich noch lange in der Lehrerausbildung. Heute hat er viel Zeit für die Politik und für Hobbys wie Reisen und Fotografieren. Erst kürzlich kehrte der 78-Jährige von einer Wander-Studienreise nach Äthiopien zurück. Die ökologischen Probleme dort bestätigten den Kalkarer einmal mehr darin, dass man die Augen nicht vor Themen wie Waldsterben und Dürre verschließen dürfe. Die Folgen des Klimawandels sind nicht nur für Kunisch Motivation, an grüner Politik festzuhalten.

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