Kranenburg-Mehr Wenn die Milch auf Reisen geht

Kranenburg-Mehr · Im Kreis Kleve leben die meisten Milchkühe NRW-weit - aber es gibt im Klever Land nur im Speetenhof eine Molkerei für den Direktvertrieb der Milch ab Hof. Zig-Millionen Liter Milch müssen dagegen kilometerweit transportiert werden.

Kranenburg-Mehr: Wenn die Milch auf Reisen geht
Foto: Evers, Gottfried (eve)

Stattlich liegt der Hof unter großen Bäumen, auf der Wiese links neben dem Hofhaus kauern Kühe im Schatten. Sie dürfen aus dem Stall, wenn sie vom Milchroboter gemolken wurden. Das geht per Chip, der die Stall-Tür öffnet. "Die können selbst entscheiden, ob sie im Stall bleiben wollen oder nach draußen gehen", sagt Andreas Derksen. Sein Vater und sein Großvater haben mit der Familie die Direktvermarktung der Milch vom Speetenhof in Mehr aufgebaut, der Sohn wird sie weiterführen. 75 Milchkühe hat der Betrieb, mit Grünland, Zuckerrüben und Winterweizen. Man ist stolz, beim Ackerbau auch die Fruchtfolge auf den Feldern halten zu können.

Mit 75 Milchkühen gehört der Speetenhof zu den kleineren Betrieben - im Schnitt sind es im Kreis Kleve 155 je Haltung. Die Kühe des Speetenhofs produzieren rund 700 000 Liter Milch im Jahr. 370 000 Liter Milch verarbeitet der Speetenhof selbst - die Familie Derksen betreibt hier die einzige Molkerei im Klever Land.

1992 entschied sich die Familie, für die Direktvermarktung die Molkerei aufzubauen. Tochter Anne van de Sand ist Molkereimeisterin. "Wir arbeiten als Molkerei gut mit dem Veterinäramt zusammen. Die Molkerei erfüllt die nötigen EU-Standards", sagt van de Sand.

 Freie Kühe: Sie können auf dem Speetenhof in Mehr selbst entscheiden, ob sie in den Stall gehen oder lieber auf der Wiese bleiben.

Freie Kühe: Sie können auf dem Speetenhof in Mehr selbst entscheiden, ob sie in den Stall gehen oder lieber auf der Wiese bleiben.

Foto: Gottfried Evers

Der Kreis Kleve hat zwar die meisten Milchkühe in Nordrhein-Westfalen, eine große Molkerei gibt es im hier dagegen nicht. Nur noch alte Straßennamen zeugen von der Zeit, als die Genossenschaften die "Milch machten". Jetzt muss die Milch mit großen Tanklastzügen durch die Republik gekarrt werden, damit aus Milch von der Kuh Milch in Tüten wird.

"Die Molkereien legen die Preise fest und machen Lieferverträge", sagt Heinrich Schnetger, Mitarbeiter der Landwirtschaftskammer in Kleve. Beim Landwirt bleiben zwischen 35 und 40 Cent pro Liter. "Wenn der Preis um einen Cent variiert, sind das schon Summen von bis zu 10 000 Euro Differenz", rechnet Schnetger. Entsprechend könne der landwirtschaftliche Betrieb wählen, welche Molkerei seine Milch zu Trinkmilch, Käse oder Joghurt verarbeitet, erklärt der Mitarbeiter der Landwirtschaftskammer.

Das kann der Betrieb theoretisch - faktisch ist gerade bei großen Mengen der Landwirt froh, wenn er eine Molkerei gefunden hat. Und die Direktvermarktung von Milch aus der eigenen Molkerei ist letztlich eine Nische. "Wir haben ein Geschäftsmodell, das sich für uns als einzelnen Betrieb rechnet", erklärt Rita Derksen. Die Speetenhofmilch geht vor allem an Endverbraucher, die der Hof direkt beliefert, geht an Bauernläden, an Bäckereien und Gastronomien, an Edeka- und Rewe-Märkte und an Kindergärten.

Dennoch kann der Hof nicht die komplette Milch der 75 Kühe direkt vermarkten - dafür ist die Kundendichte fernab von Großstädten nicht groß genug. Vor allem, wenn die Kunden im Sommer Ferien haben und nicht da sind. Knapp die Hälfte der Milch vom Speetenhof geht auf Reisen: Tanklastzüge kommen drei Mal die Woche und transportieren das weiße Gut ab. Dabei werden die Strecken für die Betriebe im Kreis immer länger: FrieslandCampina geht an die Milchwerke Köln-Wuppertal mit Betrieben in Köln, Wuppertal, Essen, Iserlohn und Lindlar-Hommerich. Andere Tankfahrzeuge fahren zur Walhorn Molkerei. Die hat zwar ihren Sitz in Brüggen-Bracht (Kreis Viersen), verarbeitet ihre Milch aber im belgischen Eupen hinter Aachen - 490 Millionen Kilogramm Milch im Jahr.

Dann werde auch noch vereinzelt Dr. Oetger in Moers angefahren, erklärt Schnetger. Aus dem Südkreis ist das Ziel häufig die Milchunion Hocheifel, Arla in Pronsfeld hinter Euskirchen. Essen ist mit 100 Kilometer Fahrstrecke noch das nächste Ziel, bis Eupen sind's rund 190 und bis Pronsfeld 236 Kilometer (jeweils von der Kreisstadt Kleve aus).

Regional ist damit die regionale Milch eigentlich nicht mehr. Sieht man von den Milch-Produkten vom Speetenhof ab. "Die Milch unserer Kühe wird pasteurisiert, homogenisiert und abgefüllt oder auch zu Joghurt, Fruchtjoghurt, Butter, Buttermilch und Quark verarbeitet" erklärt Rita Derksen. Und Vla stellt sie auch her. Prächtigen Vanille-Vla. In Zukunft möchte sie auch noch Sahne machen. Doch die Sahneherstellung nach Altväter Sitte sei sehr kostenintensiv, sagt Gerhard Derksen. Kostenintensiv war auch die Einrichtung der Molkerei. und doch: "Der Weg, den wir 1992 eingeschlagen haben, war beschwerlich - aber richtig", sagt Gerhard Derksen.

Und hat Zukunft. Drei Generationen leben auf dem Hof, die vierte liegt gerade im Baby-Sitz: Anne van de Sands Tochter Marleen ist fünf Monate alt.

(RP)
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