Kreis Kleve Warten auf die Regierungsbildung

Kreis Kleve · Nach dem Scheitern von "Jamaika" hat Stefan Rouenhoff (CDU) zwar ein arbeitsfähiges Büro in Berlin, aber wirklich politisch tätig werden kann er noch nicht. Nur im Wahlkreis läuft alles "normal".

Stefan Rouenhoff, CDU-Bundestagsabgeordneter.

Foto: KDS

Ganz so hatte sich der neue CDU-Bundestagsabgeordnete für den Kreis Kleve, Stefan Rouenhoff aus Goch, seinen Start in der Hauptstadt wohl nicht vorgestellt. "Eine Regierungsbildung hat in Deutschland noch nie so lange gedauert wie dieses Mal. Es gibt eine geschäftsführende Bundesregierung, klar, aber wir als gewählte, im Grunde arbeitsfähige Abgeordnete müssen mit vielem noch warten. Es gibt einen Hauptausschuss, einen Petitions- und einen Immunitätsausschuss, die Fachausschüsse jedoch sind noch nicht wieder eingesetzt." Von den 709 Abgeordneten (249 in der CDU/CSU-Fraktion) seien nur sehr wenige an den Gesprächen über die künftige Regierung beteiligt.

Bekanntlich streckt Rouenhoff entsprechend seiner bisherigen Tätigkeit seine Fühler nach Arbeitsfeldern wie Wirtschaft, Mittelstand, Digitalisierung aus - und kann es kaum abwarten, endlich loszulegen. "Wir nutzen die Zeit für viele Hintergrundgespräche, für Treffen mit Fachleuten und mit Interessenvertretern. Und natürlich kümmere ich mich um Themen aus meinem Wahlkreis", berichtet der 38-Jährige.

Da gibt's einiges: In Emmerich stehen Fragen des Lärmschutzes wegen der Betuwe ganz oben an. Die Bürgerinitiative verlangt Unterstützung, aber der Abgeordnete weiß auch, was es kosten wird oder würde, eine Vielzahl von Bahnunterführungen zu bauen. "Da wird es um Interessenausgleich gehen", sagt er.

Für ihn derzeit ein Riesenthema: die Digitalisierung. "Und damit meine ich nicht nur den Ausbau von schnellem Internet, sondern die Auseinandersetzung damit, dass sich unser ganzes Leben extrem ändern wird. Das autonome Fahren kommt, das wird massive Auswirkungen auf das Transport- und Logistikgewebe haben, viele Stellen werden verschwinden, andere entstehen. Fahrzeuge müssen sich verändern, unsere Industrie wird sich anpassen. Themen wie Bio- und Gentechnologie oder künstliche Intelligenz stehen damit in engem Zusammenhang - wir dürfen das nicht als Science Fiction abtun; gerade die Unternehmen müssen sich der Herausforderung stellen." Vielleicht ist das nicht gerade das Thema für die Weihnachtsfeier der Senioren, die er am Wochenende besuchen wird, aber die Kreishandwerkerschaft oder auch Schüler, die mit ihm diskutieren, will Rouenhoff mit solchen Themen konfrontieren. Gerade letztere sollten zum Beispiel Projekttage nutzen, um sich mit IT-Themen zu beschäftigen. Schulen, die Interesse haben, können sich bei Rouenhoff, der Schirmherr einer entsprechenden Aktion ist, für eine Förderung bewerben.

Zwei sitzungsfreie Wochen liegen hinter dem politischen Berlin, da war Zeit für vielseitigen Austausch. Es gibt einen Kreis junger Abgeordneter, die auch parteiübergreifend zusammenkommen, Altstipendiaten der Adenauer-Stiftung treffen sich, informell geht's vielfach auch abends weiter. "Viele sind wie ich sehr enttäuscht darüber, dass Jamaika nicht kommt. Das wäre ein Kurs Richtung Modernisierung geworden." Mit Blick auf den Leitantrag der SPD, der in diesen Tagen behandelt wird, sieht Rouenhoff eventuelle Sondierungsgespräche als sehr problematisch an. Nach wie vor gelte für ihn, dass die Groko "nicht um jeden Preis" gebildet werden sollte. Eine SPD-tolerierte Minderheitsregierung sei weiterhin eine Option. Obwohl dieser Weg kaum länger als ein, zwei Jahre funktionieren würde, das sieht auch der junge Gocher so.

Es ist nicht verboten, sondern seiner Ansicht nach unbedingt nötig, über die allernächsten Jahre hinaus zu blicken. Stefan Rouenhoff lobt Angela Merkel, die "unglaublich viele Krisen gemeistert" habe und durch ihre sachliche, pragmatische Art unzählige Kompromisse erarbeitet und Lösungen gefunden habe. Und natürlich sei die Spitzenkandidatin für vier Jahre gewählt worden. Aber Weichen stellen müsse man schon jetzt.

In den Augen Rouenhoffs muss sich die CDU künftig breiter aufstellen, verschiedene Flügel zulassen. "Wenn wir eine Volkspartei bleiben wollen, dann muss es da verschiedene Strömungen geben dürfen." Schon, damit die Ränder nicht abbröckeln und man zum Beispiel Konservative an die AfD verliere. In Berlin wird - auch in CDU-Kreisen - offen oder in Andeutungen nicht nur über die Regierungsbildung, sondern auch übers Spitzenpersonal debattiert.

(RP)