Kranenburg Volksfest ohne Volk

Kranenburg · In Kranenburg wurde drei Tage Kirmes gefeiert. Auf einem Fußballplatz großen Gelände verloren sich ein paar Gäste, Buden und Fahrgeschäfte. Der Rummel wird nicht nur in der Grenzgemeinde immer übersichtlicher.

 Kein Magnet und keine Aussicht auf kurzfristige Besserung: drei Buden von den sechs auf der Kirmes.

Kein Magnet und keine Aussicht auf kurzfristige Besserung: drei Buden von den sechs auf der Kirmes.

Foto: Evers, Gottfried (eve)

Thorsten Philipp (43) zuckert nach. Auf dem Tisch vor ihm steht eine Tasse Filterkaffee, in die er den Süßstoff schüttet. Daneben liegen reihenweise gestapelte Plastikchips. Philipp sitzt in einer Glaskabine. Vor ihm drehen sich Raumschiffe, Feuerwehrautos und heiße Sportwagen. Der Mann ist Besitzer eines Karussells und steht mit seinem Fahrgeschäft auf der Kranenburger Kirmes. Aus Datteln ist der 43-Jährige mit seinem Fahrgeschäft angereist. Er ist gefragt worden, ob er nicht nach Kranenburg kommen könne.

 Pfingstkirmes Kranenburg, Zeitpunkt Fassanstich: Zur Eröffnung verlieren sich ein paar Besucher auf dem Platz.

Pfingstkirmes Kranenburg, Zeitpunkt Fassanstich: Zur Eröffnung verlieren sich ein paar Besucher auf dem Platz.

Foto: Gottfried Evers

Sonst hätte es kein Karussell für Kinder auf dem Platz gegeben. Für ein paar Runden in einem Lastwagen zahlt man zwei Euro. Doch gibt der 43-Jährige, der in der dritten Generation als Schausteller auf den Plätzen steht, zu: "Die goldenen Zeiten sind vorbei. Wir verdienen immer weniger." Die einst handelsüblichen Schilder an den Fahrgeschäften "Junger Mann zum Mitreisen gesucht" sind Geschichte.

Es ist ein ernüchterndes Bild, das sich Besuchern auf dem großen Kranenburger Kirmesplatz bietet. Das Kinderkarussell, eine Schießbude, eine, in der man Plastikenten angeln soll und zwei Essstände (Pommes, Popcorn) stehen auf dem weiträumigen Areal. Geschickt verteilt, damit es nicht ganz so schlimm aussieht. Das im Vorfeld der Kirmes angekündigte größere Fahrgeschäft Twister ist erst gar nicht gekommen. Man habe noch einmal durchgerechnet, heißt es. Mit dem Ergebnis: Aufwand und Ertrag stehen in einem schlechten Verhältnis. Ein Geschäft ist bereits am frühen Mittag dicht. Der Bieranhänger in der Mitte des Platzes hat die Schotten dicht. Der Nachwuchs hängt routiniert am Autoscooter ab. Ein paar Jugendliche skandieren, ermuntert durch obergärige Getränke, Parolen über den Platz.

An dem Konzept "Kirmes" hat sich über Jahrzehnte hinweg nichts geändert: Ein paar Buden, deren Anzahl kontinuierlich sinkt, werden auf einen Platz gestellt. Ein Schnellimbiss steht direkt neben einem überproportionierten Kirmeszelt. Das reichte jahrelang. Die Zeiten, in denen die Tage mit Fassanstich und Schützenumzug im Kalender einen bedeutenden Stellenwert besaßen, sind Geschichte. Hier hört der Spaß auf. Das Phänomen trifft Kranenburg keinesfalls alleine. Auch in den Nachbarkommunen und Dörfern ist der Trend eindeutig. Immer weniger Besucher und immer weniger Schausteller. Es ist ein Volksfest ohne Volk geworden. Auch Kranenburger, die seit Jahren treu den Weg auf den Platz finden, winken mittlerweile ab. "Das kann man sich nur noch schön trinken", sagt ein 47-Jähriger.

Manfred Janssen (60) ist ein Kirmes-Kenner. Er arbeitet beim Hauptamt der Gemeinde Kranenburg und ist seit 16 Jahren in die Vorbereitung der Kirmes eingebunden. Auch seine Bilanz fällt bescheiden aus. "Der Besuch im Zelt war in Ordnung, der auf dem Kirmesplatz schlecht. Die Schausteller müssen bei uns noch Geld mitbringen. Es lohnt sich für die einfach nicht mehr."

In dem Kranenburger Ortsteil Frasselt hat man in diesem Jahr erstmals einen Kirmestag gestrichen. Statt vier Tagen gibt es jetzt nur noch drei Tage. In Zyfflich wurden die Tage des Rummels an ein großes Musik-Festival angehängt, um Synergieeffekte zu erzeugen.

Für Dirk Janssen, Vorsitzender des Schaustellerverbands Kleve-Geldern, geht es teilweise nur noch um Schadensbegrenzung: "Wir haben seit Jahren einen großen Verlosungswagen in der Halle stehen. Den will niemand. Es sind vor allem die kleinen Kirmessen wie Griethausen, Rindern - aber auch viele andere, die einst super Veranstaltungen waren." Für ihn lohnen sich größere Feste wie zuletzt in Geldern. Aber die nächsten Probleme werden kommen prognostiziert Jansen: "Es läuft in einigen Orten einfach nicht mehr."

Anita Norman (60) aus Kleve kann beurteilen, warum die Situation schwieriger wird. Seit 45 Jahren ist die Frau auf Kirmesplätzen unterwegs. Einen großen Teil ihres Lebens verbrachte sie am Autoscooter. Ein Fahrgeschäft, das überlebt hat. Aus ihrer Glaskabine blickt sie auf Menschen, die im Kreis fahren. Der ist zumindest in Kranenburg - auch aufgrund mangelnder Alternativen - einigermaßen gut besucht. "Der Termin in Kranenburg ist schlecht. Es ist Monatsende, da haben die Leute kein Geld mehr", sagt Norman. Auch das sei ein Grund für die flaue Situation in Kranenburg.

Jugendliche brauchen die Kirmes nicht, die haben sie jedes Wochenende. Der Reiz, bei musikalischen Darbietungen von besseren Garagenbands, Bier in Altgläsern zu trinken, hält sich in Grenzen. Der Rückgang der Schunkler schlägt durch. Ex-Fußball-Trainer Max Merkel, der nur selten um Sprüche verlegen war, beschrieb derartige Szenarien einst so: "Da ist es so trostlos - da würde ich noch nicht mal mein Auto waschen lassen."

(RP)
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