Kleve Trauer-Rituale im Wandel

Kleve · In seiner neuen Veröffentlichung "Die Grenze des Todes" beschäftigt sich Dr. Thomas Quartier aus Schottheide mit Trauer- und Bestattungsritualen. Die Niederländer, sagt er, sind Deutschland in der Entwicklung 15 Jahre voraus.

Kranenburg-Schottheide An die Beerdigung seines Vaters kann sich Dr. Thomas Quartier kaum noch erinnern. Fast 20 Jahre ist es her, dass Vater Paul starb – Thomas Quartier war damals selbst kaum volljährig. "Ich habe nur wenige Erinnerungen an die Beerdigung, das hat damit zu tun, dass die Bestattungen vor 20 Jahren noch sehr unpersönlich waren", sagt der Wissenschaftler. "Es hat lange gedauert, da einen persönlichen Bezug zu entwickeln", erinnert er sich. Das Thema Tod und der Umgang mit demselben ist auch das zentrale Thema seiner neuen Veröffentlichung, die den Titel "Die Grenze des Todes – Ritualisierte Religiösität im Umgang mit den Toten" trägt.

Rituale als Spezialgebiet

Der gebürtige Kranenburger, Jahrgang 1972, ist Dozent an der Radboud Universität Nimwegen, lehrt dort an der Theologischen Fakultät. Eines seiner Spezialgebiete sind Rituale. "Sie helfen den Menschen dabei, das zu verarbeiten, was sie nicht in Worte fassen können", sagt Dr. Thomas Quartier. Vor allem im Umgang mit Todesfällen tauchen Rituale in allen Kulturkreisen auf, sind oft zentraler Bestandteil von Bestattungen. In seinem Buch beschäftigt sich Quartier mit eben diesen Ritualen im Umgang mit den Toten, speziell im niederländischen und deutschen Raum – auch, aber nicht ausschließlich im religiösen Kontext. Eine seiner Thesen: In den Niederlanden entwickle sich ein neues Bewusstsein für Trauer, das sich auch in neuen Ritualen äußert. Das Titelblatt seiner Veröffentlichung zeigt ein Foto, auf dem ein mit Engelsflügeln geschmückter Briefkasten zu sehen ist. Fotografiert wurde der rote Kasten auf einer niederländischen Bestattung – die Trauernden konnten dort persönliche Nachrichten an den Verstorbenen einwerfen.

"Die Niederländer sind uns 15 Jahre voraus", nennt der Ritualwissenschaftler eine weitere These. "Die Entwicklungen, wie wir sie in den Niederlanden beobachten, werden etwas später auch in Deutschland einsetzen", sagt er. Zwar werden wir die niederländische Bestattungskultur nicht 1:1 kopieren – die Entwicklung hin zur Personalisierung und Enttabuisierung von Trauer und individualisierten Abschiedsritualen werde aber auch hier immer stärker zu beobachten sein, so Quartier.

Obwohl sein Buch einen wissenschaftlichen Beitrag zur Rituologie darstellt, hat Thomas Quartier auch persönliche Erfahrungen, vor allem zum Tod seines Vaters einfliessen lassen. "Ich wollte auch zu erkennen geben, wer ich als Person bin. So kann man dem Leser den eigenen Standpunkt besser deutlich machen", sagt er. Wissenschaftlich fundiert ist das Buch trotzdem: Durch Interviews mit insgesamt 400 Trauernden, zusammengefasst im Text und in Statistiken. Seine Zielgruppe sind aber nicht nur Wissenschaftler, sondern auch Ehren- und Hauptamtliche, die in irgendeiner Art und Weise mit dem Tod und Trauernden zu tun haben. Und nicht zuletzt natürlich auch die Trauernden selbst – zwar will er seine Veröffentlichung nicht als Handbuch zum Trauern verstehen, aber er möchte Impulse geben, Vorschläge, die den Trauernden aufzeigen, wie es gehen könnte. So, wie er sich vor zwanzig Jahren gewünscht hätte.

(RP)
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