Kleve Theater: "Hiob" überzeugte in Kleve

Kleve · Er verliert alles und findet doch seinen Frieden: "Mendel schlief ein. Und er ruhte aus von der Schwere des Glücks und der Größe des Wunders", schließt Josefs Roths Roman "Hiob". Den inszenierte Bettina Jahnke vom Landestheater Neuss jetzt in der Bühnenfassung von Koen Tachelet zum Start des Klever Theaterprogramms. Das war ebenso schwere wie gute Theaterkost zu Beginn vor halbwegs gefülltem Saal, Hiob ist Abiturstoff.

Mendel Singer, ein "ganz alltäglicher Jude" (wie es im Roman heißt) muss wie ein Hiob des 20. Jahrhunderts Schicksalsschlag auf Schicksalsschlag hinnehmen: Sein jüngster Sohn Menuchim wird als Epileptiker geboren und scheint schwachsinnig. Sein ältester Sohn Jonas geht zum Militär. Sein zweiter Sohn wandert nach Amerika aus, seine Tochter Mirjam ist verrückt nach Männern und lässt sich mit Kosacken ein, was für den strenggläubigen Juden als Inbegriff der Verworfenheit gilt. Fluchtartig verlässt die Familie das kleine Schtetl in Russland, flieht zu ihrem in den USA zu Wohlstand gekommenen zweiten Sohn. Dafür müssen sie den kleinen Menuchim zurücklassen. Es scheint für die Familie so etwas wie Glück auf - nur Mendel bleibt der russische Jude, der er ist, kann Menuchim nicht aus seinem Kopf verdrängen, verweigert sich dem neuen Land.

Letztlich ist das Glück nur von kurzer Dauer: Der Erste Weltkrieg bricht aus, Jonas gilt als vermisst. Schemarja fällt als amerikanischer Soldat in Europa. Aus Gram stirbt Mendels Frau Deborah, Mirjam wird verrückt, landet in der Psychiatrie. Der russische Jude schwört Gott ab, verbrennt Bibel und Gebetsriemen: "Mendel hat den Tod, Mendel hat den Wahnsinn, Mendel hat den Hunger - alle Gaben Gottes hat Mendel. Aus, aus aus ist es mit Mendel Singer", schreit es aus ihm heraus, sich im Gebetsrhythmus beugend.

Er lebt, ist aber innerlich tot. Erst jetzt scheint sich Gott zu erbarmen: Menuchim bereist als berühmter Dirigent und Komponist Amerika und nimmt seinen alten Vater bei sich auf, in Wohlstand und Frieden. Und die Schwester werde man anderntags auch besuchen. Mendel kann endlich schlafen, der Vorhang fällt.

Vorangegangen ist beachtliches Schauspieltheater, knapp drei konzentrierte Stunden lang. Mit Bildern, die sich festhaken, im Kopf bleiben. Es ist ein Stück vor einer kargen Bühne mit einem Berg verschachtelter Stühle, eine Bühne, in deren Mittelpunkt die Schauspieler eines ausgewogenen Ensembles stehen. Jahnkes Inszenierung zehrt von den stillen Momenten, von den teils bitterbösen Monologen, der Verzweiflung, dem nie wirklich zu trauendem Glück. Das Stück erzählt von Demut und dem Bruch mit Gott, von der fehlenden Liebe zwischen den Menschen, vom Ankommen und fremd bleiben im scheinbar gelobten Land.

Langer Applaus war der Lohn fürs gute Ensemble.

(RP)
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