Kreis Kleve Syphilis ist eine Schlange

Kreis Kleve · Reden wir über Sex! Kurse der AWO für junge und nicht mehr ganz junge Jugendliche tun das mit Selbstverständlichkeit. Die sexualpädagogischen Angebote haben Riesen-Zulauf. Und das aus gutem Grund.

 Eine lockere Runde, viel Spaß bei einem ernsten Thema, das konzentriert besprochen wird: Jugendliche zu Gast bei der Arbeiterwohlfahrt in Kleve an der Thaerstraße.

Eine lockere Runde, viel Spaß bei einem ernsten Thema, das konzentriert besprochen wird: Jugendliche zu Gast bei der Arbeiterwohlfahrt in Kleve an der Thaerstraße.

Foto: Gottfried Evers

Der Gruppenraum der Arbeiterwohlfahrt in der Klever Kreis-Zentrale. Große Runde, Jugendliche des Theodor-Brauer-Hauses, Jungen und Mädchen, alle um die 16. Andrea Twele und Jan Baßfeld von der AWO reden Tacheles. Gerade geht's um Geschlechtskrankheiten. "Sagt mal — welche kennt ihr?" Umgehend kommen die Antworten. AIDS, Syphilis, Tripper — aber auch Vorschläge, die nicht so am Wege liegen: "Genitalherpes!", ruft einer in den Raum.

Ein ernstes Thema

Sofort greifen die Kursleiter das auf. Reichen eine Art Stofftier rum. Das sieht eher aus wie eine Sonne, ist aber, in Riesen-Vergrößerung, einem Herpes-Virus nachgebildet. "Wie könnt ihr euch damit anstecken, was passiert dann?" Die Jugendlichen sind konzentriert bei der Sache. Konzentriert, aber ganz entspannt. Und zeigen, wie viel Wissen sie schon draufhaben, wo es noch Lücken gibt.

Mit Syphilis (das Bakterium präsentiert sich wieder als "Stofftier", eine gewundene rosa Schlange) könnten sich ja wohl nur Jungs anstecken, meint ein Mädchen. Ein Irrtum, der sofort aufgeklärt wird. Als einer der TBH-Schüler aus dem Leben erzählt, auch Witze macht, bekommt er sofort eine Ermahnung. Nicht von "denen da vorne", sondern aus der Runde. "Äh, könntest du mal bei der Sache bleiben, das ist ein ernstes Thema!"

Geschlechtskrankheiten. Sicher ein ernstes Thema. Aber so, wie Andrea Twele und Jan Baßfeld das aufbereiten, alles andere als bierernst. Nicht oberflächlich, sondern mit Details, ohne falsche Scham und durchaus spannend geht's an diesem Vormittag nicht nur um besagte Geschlechtskrankheiten, die man sich schnell einfangen kann und die teils nur sehr schwer zu bekämpfen sind.

Es geht überhaupt um das große Thema Verantwortung. Die nämlich, die man nicht nur für sich, sondern auch für den anderen, die andere hat. Selbstverständlichkeit körperliche Hygiene? Nicht alles ist für alle selbstverständlich, das zeigt sich gerade. Wie schnell kann man sich einen Pilz "fangen", wenn man sich immer gründlich auch "da unten" wäscht, aber sich eben nicht gründlich abtrocknet? Wie leicht werden überhaupt solche Pilze zum gar nicht gewollten "Geschenk" an den Partner?

Alles nur ein paar Beispiele, die die RP live miterleben konnte. Liebe und Sexualität — ein weites Feld. und eines, mit dem die AWO bewusst ganz stark in die Schulen geht. "Eines unserer ureigensten Themen", sagt AWO-Geschäftsführer Viktor Kämmerer. Diplom-Pädagogin Nicole Saat, Beraterin bei der AWO: "Im Kreis Kleve gibt es doppelt so viele ungewollte Schwangerschaften bei Minderjährigen wie im Landesdurchschnitt."

Das zeigt, wie verzahnt das große Thema Schwangerschafts- und Familienberatung ist — eines der Kerngebiete der AWO im Kreis Kleve. Das erklärt sicher auch, warum die Nachfrage der Schulen nach den vielfältig gegliederten Kursen der AWO ist. Es gebe Wartezeiten, sagt Kämmerer.

Also rechtzeitig anmelden. Wie gut die Kurse ankommen: Das AWO-Team weiß es, Lehrer wissen es inzwischen, und die Jugendlichen, die bestätigen das. Nicht nur wegen der Stofftiere.

(RP)
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